Nichts dafürgekonnt? EuGH urteilt zur Haftung von Marktplatzbetreibern für Markenverletzungen

Sie haben Fragen zum Markenrecht? Sie betreiben eine Internetseite und möchten wissen, wie groß Ihr Haftungsrisiko ist? Wir helfen Ihnen gerne. Kompetent, schnell und  direkt.

Die Haftung des Plattformbetreibers: eine lange Geschichte

Immer, wenn Rechtsverletzungen im Internet nicht vom Betreiber der Internetseite selbst, sondern von Nutzern begangen werden, stellt sich die Frage: „Wer haftet?“
Für Markeninhaber ist es beispielsweise  oft taktisch klug, Ansprüche wegen Markenverletzungen gegen den Betreiber einer Handelsplattform geltend zu machen und nicht (nur) gegenüber dem einzelnen Anbieter rechtsverletzender Ware. Letzterer ist oft deutlich weniger solvent, wenn es um die entstehenden Kosten der Rechtsverfolgung geht. Darüber hinaus kann beim Plattformbetreiber das Übel an der Wurzel gepackt werden. Wenn der Plattformbetreiber für Rechtsverletzungen der Nutzer einzustehen und daher die auf seiner Seite eingestellten Angebote zu prüfen hat, werden Rechtsverletzungen auch mit größerer Wahrscheinlichkeit gar nicht erst geschehen.

Bundesgerichtshof zur Haftung von eBay

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mehrmals mit der Frage der Haftung eines Marktplatzbetreibers befasst. So befand der BGH, dass ein Dienstanbieter grundsätzlich nicht bereits Marke Patent Wettbewerbsrecht Urteil Abmahnung Einstweilige Verfügung Seite Betreiber Portal Plattformdeshalb für Markenrechtsverletzungen der Nutzer haftet, weil er einen Marktplatz betreibt und damit die Rechtsverletzung (auch) ermöglicht. Eine Haftung setze vielmehr voraus, dass für den Dienstanbieter zumutbare Kontrollmöglichkeiten bestehen, um eine solche Markenverletzung zu unterbinden. Ihm sei es  aber nicht zuzumuten, jedes Angebot darauf zu überprüfen, ob Schutzrechte Dritter verletzt werden. Wenn dem Dienstanbieter aber ein Fall einer Markenverletzung bekannt wird, muss er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch mit technisch möglichen und zumutbaren Maßnahmen weitere Markenverletzungen verhindern. Dabei könne sich der Plattformbetreiber auch nicht auf gesetzliche Haftungserleichterungen für Internet-Dienstanbieter berufen, weil diese Erleichterungen nicht für Unterlassungsansprüche gelten (BGH, Urteil vom 11.3.2004 – I ZR 304/01 – ROLEX). Ein Plattformbetreiber könne sogar vorbeugend auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn es noch nicht zu einer Verletzung von Markenrechten gekommen ist, die Verletzung aber in der Zukunft aber auf Grund der Umstände zu befürchten ist. Voraussetzung dafür ist, dass eine Erstbegehungsgefahr besteht, etwa weil zumutbare Prüfungen der Angebote von Plattformnutzern unterbleiben (BGH, Urteil vom 19.4.2007 – I ZR 35/04 – Internetversteigerung II).

Urteil des EuGH

Nunmehr hat der Europäische Gerichtshof in einem gerade ergangenen Urteil (Urteil vom 12.07.2011; Aktenzeichen C-324/09) die Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers für Markenrechtsverletzungen durch Nutzer der Plattform präzisiert. Auch nach Ansicht des EuGH kann sich ein Betreiber nicht auf Haftungserleichterungen für Online-Dienstanbieter berufen, wenn er Kenntnis von Markenrechtsverstößen hatte und es unterlassen hat, die Rechtsverletzungen unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Außerdem müssten die nationalen Gerichte den Betreibern aufgeben können, Maßnahmen sowohl zur Beendigung der Markenrechtsverletzungen als zur Vorbeugung gegen weitere Verstöße zu ergreifen.
Kläger in der vom EuGH entschiedenen Sache war das Kosmetikunternehmen L’Oréal. Das Unternehmen verklagte die Internet-Handelsplattform eBay unter anderem vor dem britischen High Court of Justice in London, weil eBay-Verkäufer auf der Plattform Fälschungen, unverkäufliche Produktmuster und nicht für den Verkauf im EWR-Raum bestimmte Produkte angeboten hatten. L’Oréal warf eBay vor, nicht nur nicht genug gegen die Markenverletzungen zu unternehmen, sondern die Rechtsverletzungen sogar noch durch Keyword-Werbung über Suchmaschinen zu fördern.

Keine Haftungsausnahme für aktiv handelnden Betreiber

Der EuGH hat unter anderem festgestellt, dass ein Plattformbetreiber sich nicht auf die Ausnahme für Hosting-Dienste in Art. 14 der EU-Richtlinie 2000/31 (in Deutschland umgesetzt durch § 7 ff. des Telemediengesetzes) berufen könne, wenn er den Nutzern bei der Gestaltung ihrer Angebote und bei der Werbung für die Angebote Hilfestellung leistet. Denn dann sei der Plattformbetreiber nicht mehr „neutraler“ technischer Anbieter, sondern er könne die Angebote auch kontrollieren.

Keine Ausnahme von der Verantwortlichkeit bei Kenntnis von Markenrechtsverstößen

Aber selbst dann, wenn eine solche aktive Rolle des Plattformbetreibers nicht gegeben sei, hafte der Plattformbetreiber wenn er Anhaltspunkte für eine Markenrechtsverletzung hat und die betreffenden Daten trotzdem nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen sperrt.

Weiter hält der EuGH fest, dass die nationalen Gerichte von Betreibern verlangen können müssen, Maßnahmen zur Beendigung von Rechtsverletzungen und Vorbeugung gegen künftige Markenrechtsverletzungen durch Nutzer zu ergreifen. Diese Maßnahmen müssten wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Beispielsweise könne verlangt werden, dass der Plattformbetreiber eine sichere Identifizierung der Nutzer (und Rechtsverletzer) sicherstellt, wobei natürlich das Datenschutzrecht beachtet werden muss.

Keine Überraschung

Die Entscheidung des EuGH ist nicht überraschend, schafft aber nun endlich Klarheit: Betreiber von Handelsplattformen haften für Rechtsverletzungen der Nutzer, wenn sie die Rechtsverletzung kennen, aber nicht abstellen. Sie haften  außerdem, wenn sie mit einer Rechtsverletzung rechnen müssen, aber keine zumutbaren Vorsichtmaßnahmen treffen. Wenn der Plattformbetreiber nicht nur als „neutraler“ technischer Dienstleister, sondern als Werbepartner für die Nutzer auftritt, muss er die Angebote auch auf Rechtsverletzungen prüfen. Wie sorgfältig diese Kontrolle sein muss, werden die nationalen Gerichte bei künftigen Entscheidungen zu prüfen haben.

Nach der Entscheidung des EuGH ist nun klar: Plattformbetreiber müssen etwas unternehmen, wenn Rechtsverletzungen auftreten. Die Devise „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ scheidet dabei aus. Wer Werbung für Nutzerangebote treibt, kann sich nicht auf Haftungserleichterungen für Hosting-Dienstanbieter berufen. Bisher nachlässige Plattformbetreiber sollten daher ihre rechtlichen Strategien, aber auch die Gestaltung der technischen Sicherheitsmaßnahmen ihrer Dienste überdenken. Interessant ist die Feststellung des EuGH, dass auch in der sicheren Feststellung der Identität des Nutzers eine zumutbare Maßnahme gegen Rechtsverletzungen zu sehen sein kann.