EuGH: kein Softwareschutz für Programmoberflächen

Die Wiedergabe einer Programmoberfläche im Fernsehen verletzt nicht die Rechte des Urhebers des Computerprogrammes. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) kürzlich entschieden (Urteil vom 22.12.2010, Az. C-393/09)

Urteil des EuGH: Grafische Oberfläche kein Computerprogramm

Computerprogramme genießen in Deutschland Urheberrechtsschutz (§ 69a Urheberrechtsgesetz – UrhG). Zu den Rechten des Urhebers gehört auch die Entscheidung, ob ein Werk öffentlich wiedergegeben wird (z.B. § 21 Urhg). Bedeutet dies etwa auch, dass der Rechtsinhaber am Computerprogramm die Darstellung der Programmoberfläche verbieten kann? Mit dieser Frage hat sich in der oben genannten Entscheidung der europäische Gerichtshof auseinandergesetzt. Der Rechtsstreit hatte seinen Ursprung in der tschechischen Republik. Das dortige Kulturministerium wollte einer Software-Schutzvereinigung keine Erlaubnis für die Verwaltung der Rechte an der Wiedergabe von Computerprogrammen erteilen, und zwar insbesondere nicht für die Auswertung im Fernsehen. Das Gericht hatte daher die europäische Richtlinie 91/250/EWG auszulegen und zu entscheiden, ob solche Wiedergaben vom Urheberrecht an dem Programm umfasst sind.

 

 

 

 

Sourcecode: der eigentliche Gegenstand des Urheberrechts

 

 

Das Gericht urteilte, dass die Wiedergabe der Programmoberfläche („GUI“) im Fernsehen nicht von den Urheberrechten am Computerprogramm umfasst ist. Nach Auffassung des Gerichts greift der Urheberrechtsschutz am Computerprogramm ab dem Moment, in welchem die Wiedergabe auch die Vervielfältigung des Computerprogramms zur Folge hätte und dadurch der Computer die Ausführung des Programms beginnt. Spätestens in diesem Moment findet nämlich die Vervielfältigung des Programms im Hauptspeicher statt (so auch LG München I, Urteil vom 13.03.2008 – 7 O 16829/07).

Die grafische Oberfläche des Programms diene aber nicht der Ausführung bzw. Vervielfältigung des Programms, sondern sei lediglich ein Bestandteil der Software. Die Oberfläche dient daher nach Einschätzung des Gerichts der Nutzung der Funktionen der Software, ist aber nicht für die Ausführung des Programms selbst ursächlich. Darüber hinaus habe der Fernsehzuschauer bei der Wiedergabe der Programmoberfläche im Fernsehen gerade nicht die Möglichkeit, das Programm als solches zu benutzen, so dass auch keine öffentliche Wiedergabe des Computerprogramms vorläge.

Das Gericht bejahte jedoch die grundsätzliche Möglichkeit eines Urheberrechtsschutzes für Programmoberflächen. Jener sei dann gegeben, wenn die Benutzeroberfläche selbst als urheberrechtliches Werk dem Schutz des Urheberrechts unterliegt.

Übertragung auf Screenshots und Websites

Nach dem ersten Eindruck betrifft die Entscheidung nur ein exotisches Randgebiet. Sie wird jedoch bei der Auslegung des Urheberrechts durchaus relevant, und zwar wenn es um die Darstellung von Computerprogrammen ( besser gesagt: deren Oberfläche) im Rahmen von Screenshots geht. Die Entscheidung des EuGH konsequent weitergedacht, scheiden diesbezüglich urheberrechtliche Ansprüche des Rechtsinhabers am Computerprogramm aus.

Ein Urheberrechtsschutz an einer Programmoberfläche als selbstständiges, dem Urheberrecht unterfallendes Werk wird nur in seltenen Fällen in Betracht kommen. Hierbei lohnt sich ein Vergleich zur Rechtsprechung zum Urheberrechtsschutz an Internetseiten. So befand beispielsweise das Oberlandesgericht Frankfurt in einer früheren Entscheidung, dass auch an Internetseiten grundsätzlich ein Urheberrechtsschutz denkbar ist (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 22.3.2005 – 11 U 64/04). Es stellte jedoch fest, dass der digitale Herstellungsprozess einer HTML-Datei lediglich handwerkliche Vorgaben umsetze und deshalb keine urheberrechtsschutzfähige persönliche geistige Schöpfung vorliege. Auch das Landgericht Köln versagte der digitalen Umsetzung eines – höchst aufwändigen und technisch anspruchsvollen – virtuellen Kölner Domes den Urheberrechtsschutz (Urteil 21. April 2008 – 28 O 124/08), weil die Umsetzung von Bildmaterial nicht die Qualität einer eigenpersönlichen Schöpfung erfülle.

Schutzrechte und rechtssichere Vertragsgestaltung wichtig

Hersteller und Anbieter von Software sollten die aktuelle Rechtsprechung zum Anlass nehmen, nochmals über ihre Schutzstrategie nachzudenken. Wenn Konkurrenten die grafische Oberfläche einer Software für funktionsähnliche Produkte kopieren, ist darin allein in der Regel keine Urheberrechtsverletzung zu sehen. Das Verbot einer „abgekupferten“ GUI kann ausnahmsweise auf das Wettbewerbsrecht gestützt werden (vgl. LG Köln, Urteil vom 20.6.2007 – 28 O 798/04). Dies setzt jedoch voraus, dass die übernommene Oberfläche nachweislich als Herkunftshinweis oder als Merkmal besonderer Qualität der Software bekannt war. Dieser Beweis wird im Prozess oftmals nur schwer zu führen sein. Ein ergänzender Schutz von Programmoberflächen, beispielsweise durch Geschmacksmuster, kann hier hilfreich sein. Auch für Gestalter von Internetseiten bietet die Rechtsprechung wichtige Hinweise. Da sich die Nutzung einer unbezahlten Internetseite durch den Auftraggeber durch das Urheberrecht nur in Ausnahmefällen sicher verbieten lässt, ist die Gestaltung des Website-Erstellungsvertrags für die Rechtsposition des Webdesigners von entscheidender Bedeutung.

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