(k)ein Kinderspiel: BGH zum Urheberrecht an Spielen

Urheberrecht für Spiele: Anforderungen hoch

Das Urheberrecht schützt den Urheber vor der unberechtigten Verwertung seines Werkes. Der Urheber kann Dritten verbieten, von seinem Werk auf urheberrechtlich relevante Art und Weise Gebrauch zu machen. Allerdings fordert die Rechtsprechung für das Bestehen von Urheberrechten eine gewisse Qualität des Werkes (das Erreichen der so genannten „Schöpfungshöhe„). Darüber hinaus besteht das Urheberrecht nicht an der abstrakten Idee des Werkes, sondern an der im konkreten Werk verkörperten persönlich-geistigen Schöpfung. Um es salopp auszudrücken: das Urheberrecht schützt den Braten und nicht das Rezept.

Die Anforderungen des Urheberrechte führen insbesondere bei den Gestaltern und Anbietern von Spielen oft zu Verärgerung. Die Entwicklung selbst einfacher Spiele erfordert oftmals großen Aufwand und ein hohes Maß an Kreativität. Dennoch hat die Rechtsprechung Spielideen für nicht schutzfähig erachtet (z.B. Landgericht Mannheim,  Urteil vom  29. 2. 2008 –  7 O 240/07  betreffend die Idee für ein Würfelspiel). Kopien von Spielen wurden daher meistens für zulässig erachtet, selbst wenn ein anderes Spiel nur mit sehr geringen Abweichungen „abgekupfert“ wurde.

BGH: Urheberrechtsschutz möglich

Ein wenig Hoffnung  für Spielentwickler hat der Bundesgerichtshof mit einer heute veröffentlichten Entscheidung  geschaffen:

Der  auch für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bestätigt, dass für Lernspiele ein Urheberrechtsschutz als „Darstellungen wissenschaftlicher Art“ bestehen kann (Urteil vom 1. Juni 2011 – I ZR 140/09 – Lernspiele).

Gegenstand des Streits war ein Lernspiel, das aus mehreren Übungsheften und einem Kontrollgerät besteht und von der Klägerin in drei Varianten angeboten wird.  Die Spielidee aller Varianten ist gleich. So besteht das Kontrollgerät eines der Lernspiele aus einem flachen Kunststoffkasten, in dem zwölf quadratische Plättchen in zwei Reihen zu je sechs Plättchen auf dafür vorgesehenen Feldern liegen. Die Plättchen sind auf der Vorderseite von eins bis zwölf durchnummeriert und auf der Rückseite mit roten, blauen oder grünen Farbmustern versehen. Die Aufgabe des Anwenders besteht darin, die Plättchen nach der Aufgabenstellung des Übungsheftes einem bestimmten Feld zuzuordnen. Hat der Anwender die Aufgabe richtig gelöst, kann er dies, wenn er das Kontrollgerät umdreht, daran erkennen, dass die Rückseiten der Plättchen das gleiche Muster bilden, wie es das Übungsheft für die richtige Lösung vorsieht.

Die Beklagte hat die Spielidee der Klägerin übernommen und nach dem gleichen Prinzip funktionierende Lernspiele angeboten. Dies gefiel der Klägerin natürlich nicht. Sie forderte von der Konkurrentin Unterlassung und Schadensersatz.

Nachdem das Landgericht der Klägerin recht gab, scheiterte sie vor dem Oberlandesgericht. Dass Oberlandesgericht wies die Klage ab, weil die von der Beklagten angebotenen Spiele Unterschiede zu den Spielen der Klägerin aufwiesen. Die Klägerin zog deshalb zum Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Er verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Lernspiel: Urheberrechtsschutz denkbar

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Lernspiele der Klägerin durchaus als Darstellungen wissenschaftlicher Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützt sein können.

Für solche Darstellungen wissenschaftlicher Art sei wesentlich, dass sie der Vermittlung von belehrenden oder unterrichtenden Informationen dienen. Bereits die Darstellung einfachster „wissenschaftlicher“ Erkenntnisse kann durch ein Urheberrecht geschützt werden.

Die von der Klägerin entwickelten Kontrollgeräte könnten im Zusammenspiel mit den Übungsheften die Anforderungen für den Urheberrechtsschutz erfüllen. Das Oberlandesgericht hat nach dem Urteil des BGH jetzt zu prüfen, ob die Lernspiele der Klägerin eine so eigentümliche Formgestaltung aufweisen, dass sie als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz genießen.

Abstand von der Masse nötig

Für den Urheberrechtsschutz reicht es  nach dem Urteil des BGH schon aus, dass sich das Lernspiel der Klägerin von der Masse vergleichbarer Lernspiele abhebt. Dabei sei aber nicht notwendig, dass ein großes Maß der geistigen Leistung und individuellen Prägung  vorliegt.

Sollten die Lernspiele der Klägerin sich allerdings nur wenig von den vergleichbaren Spielen abheben, sei die Reichweite des Urheberrechts nur gering. Dementsprechend könnten bereits verhältnismäßig geringfügige Abweichungen in der Gestaltung der Lernspiele der Beklagten zur Folge haben, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Die Entscheidung des BGH gibt den Spielanbietern etwas Hoffnung. Die Landgerichte und Oberlandesgerichte werden sich künftig sehr detailliert mit Spielkonzepten auseinandersetzen müssen, bevor ein Schutz durch das Urheberrecht verneint wird. Wesentlich wird bei Lernspielen sein, welche Unterschiede zu vorbekannten Spielkonzepten vorliegen. Hochgradig phantasievolle und neue Spiele können dann auch gegen abgeänderte Nachahmungen geschützt sein.

Ergänzende Schutzmöglichkeiten: Wettbewerbsrecht und Geschmacksmuster

In Ausnahmefällen könnte für Speiele auch ein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz bestehen. Der so genannte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz verbietet die Nachahmung eines Erzeugnisses, wenn dadurch eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich des Herstellers  geschaffen oder der gute Ruf eines Spieleranbieters ausgenutzt wird. Allerdings schützt auch das Wettbewerbsrecht nicht die Idee als solche. Wird also nur das Spielkonzept nachgeahmt und lassen sich die Spiele bzw. deren Anbieter dennoch klar unterscheiden, sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche eher wenig wahrscheinlich (so auch schon BGH,  Urteil vom  28. 10. 2004 –  I ZR 326/01). Darüber hinaus muss der Spieleanbieter vor Gericht nachweisen, dass die Spielgestaltung als Herkunftshinweis verstanden wird oder dass aufgrund der Spielekopie ein besonders guter Ruf ausgebeutet wird. Dieser Beweis muss im Einzelfall durch – teure – Gutachten geführt werden.

Spielanbietertun gut daran, frühzeitig über einen umfassenden Schutz ihres Erzeugnisses nachzudenken. So lassen sich beispielsweise durch Geschmacksmuster konkrete Spielgestaltungen einfach, schnell und günstig schützen. Dann kommt es im Fall einer naheliegenden Nachahmung nicht mehr darauf an, ob die Hürden des Urheberrechts oder die Anforderungen des wettbewerbsrechtlichen Schutzes im konkreten Einzelfall erfüllt sind.

 

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