Einheitliches Patentgericht: Opt-out aus dem neuen Patentgerichtssystem – Ende der sunrise-period naht

Am 01.06.2023 startet das einheitliche Patentgericht (EPG) bzw. der Unified Patent Court (UPC). Mit dem Einheitlichen Patentgericht wird eine neue Gerichtsbarkeit für Europäische Patente mit einer ausschließlichen Zuständigkeit für nahezu sämtliche Verfahrensarten (Patentverletzungsklagen, Nichtigkeitsklagen, negative Feststellungsklagen) geschaffen. Die Zuständigkeit gilt sowohl für zukünftig erteilte Europäische Patente, als auch für bereits bestehende Europäische Patente. Innerhalb eines Übergangszeitraums von 7 Jahren (der von den Entscheidungsträgern um weitere 7 Jahre verlängert werden kann) besteht für Patentinhaber jedoch die Möglichkeit, die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgericht mit einer sog. „opt-out“-Erklärung auszuschließen.

Vor dem neuen Gericht kann eine Verletzungsklage zentral mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten eingereicht und geführt werden. In den bisherigen nationalen Systemen ist dies nur in jedem Land gesondert möglich. Umgekehrt kann ein Europäisches Patent im neuen System allerdings auch zentral in einem einzigen Verfahren mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten angegriffen und für nichtig erklärt werden, anstatt wie bislang nur in jedem Land gesondert.

Logo und Ausschnitt der Website des Einheitlichen Patentgerichts – EPG (Unified Patent Court – UPC), Quelle: www.unified-patent-court.org

Es bestehen mithin Vor- und Nachteile im neuen System. Stark vereinfacht sind die Verfahrenskosten im neuen System grundsätzlich erheblich höher, als die Kosten nationaler Verfahren im bisherigen System. Im neuen System können zudem zusätzliche Übersetzungskosten und höhere Reiseaufwände und -kosten entstehen, weil in bestimmten Fällen bspw. eine Verweisung an die Zentralkammer in Paris möglich ist und sich die Berufungskammer grundsätzlich  in Luxemburg befindet. Da noch keine praktischen Erfahrungswerte mit dem neuen System bestehen und keine Rechtsprechung zur Auslegung seiner Rechtsgrundlagen vorliegt, lassen sich Verfahrensergebnisse zudem anfänglich sicherlich nur erheblich unsicherer prognostizieren, als dies in den bestehenden nationalen Systemen der Fall ist. Andererseits ist es nur im neuen System möglich, gegen einen Verletzer mit einem einzigen Klageverfahren einen Unterlassungstitel mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten zu erwirken. Darüber hinaus bestehen im Detail etliche weitere Unterschiede, so beträgt die Verjahrungsfrist 5 Jahre anstatt, wie im deutschen Zivilrecht 3 Jahre ab Kenntnis der anspruchsbegründenen Umstände.

Bei der Entscheidung für oder gegen die Hinterlegung einer opt-out-Erklärung können daher vielfältige Gesichtspunkte eine Rolle spielen, die im konkreten Einzelfäll abzuwägen sind. Sofern keine besonderen Umstände vorliegen, mag die allgemeine Vorsicht eher dafür sprechen, das Patent zunächst aus dem neuen System auszuschließen und die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Damit lässt sich etwa vermeiden, dass Ihnen ein Dritter – das kann ein unliebsamer Wettbewerber oder auch ein sog. „Patent-Troll“ sein – bspw. mit einer zentralen Nichtigkeitsklage gegen Ihr Europäisches Patent die Entscheidung abnimmt und in das neue System zwingt. Nach der Einleitung eines ersten Verfahrens im neuen System ist kein opt-out mehr möglich. Umgekehrt können Sie die Entscheidung für einen opt-out bis zum Ablauf des Übergangszeitraum später wieder zurücknehmen, sofern zwischenzeitlich noch kein Verfahren nach nationalem Recht geführt wurde.

Um den Inhabern Europäischer Patente insoweit eine rechtzeitige Wahlmöglichkeit einzuräumen, besteht während einer aktuell noch bis zum 31.05.2023 laufenden „sunrise-period“ die Möglichkeit, die Zuständigkeit des einheitliche Patentgerichts für bestehende Europäische Patente oder Anmeldungen bereits vor seinem Start aktiv durch die Hinterlegung einer opt-out-Erklärung auszuschließen („Inanspruchnahme der Ausnahmereglung“ gemäß Art. 83 Abs. 3 EPGÜ/UPCA). Die Erklärung kann nur einheitlich für alle Mitgliedsstaaten erfolgen, für die es erteilt wurde oder die in der Anmeldung benannt sind. Ferner kann sie – unabhängig von der Registerlage – wirksam nur einheitlich im Namen des oder der aktuellen, tatsächlichen materiell-rechtlichen InhaberInnen aller nationalen Teile des Europäischen Patents erfolgen und muss elektronisch Case-Management-System (CMS) des einheitliche Patentgerichts hinterlegt werden.

Auch nach dem Ablauf der sunrise-period kann noch eine opt-out-Erklärung hinterlegt werden, solange kein Verfahren im neuen Patentgerichtssystem anhängig war.

Wir sind im neuen System bereits als Vertreter registriert und stehen Ihnen für die Hinterlegung von opt-out-Erklärungen und natürlich auch für alle Fragen zum Einheitlichen Patentgericht gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!