Bundesverfassungsgericht konkretisiert Urheberrechte: Kein Verbietungsrecht gegen Aufstellen eines Sessels

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Bundesverfassungsgericht bestätigt BGH: Aufstellen eines Sitzmöbels ist keine Verbreitung

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer jüngst ergangenen Entscheidung (BVerfG,  Beschluss vom 19.7.2011, AZ: 1 BvR 1916/09) den Umfang der aus dem Urheberrecht resultierenden Verbietungsrechte konkretisiert. Das Gericht bestätigte eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach das Aufstellen (Achtung: nicht der Verkauf! – siehe unten mehr) der Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Sitzmöbels keine Verletzung des Urheberrechts darstellt.

Die Beschwerdeführerin, eine GmbH nach italienischem Recht mit Sitz in Italien, produziert Möbel nach Entwürfen des 1965 verstorbenen Architekten und Möbeldesigners Le Corbusier (Charles-Édouard Jeanneret-Gris). Sie ist aufgrund des Lizenzvertrages berechtigt, die Urheberrechte des Designers wahrzunehmen. Diese Urheberrechte erlöschen erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 Urheberrechtsgesetz – UrhG).

Eine Zigarrenherstellerin richtete in einer Kunst- und Ausstellungshalle eine Zigarrenlounge ein, in der sie Nachbildungen von Le-Corbusier-Möbeln aufstellte.

Die Beschwerdeführerin erhob wegen der Benutzung der nachgeahmten Möbel eine Unterlassungsklage gegen die Zigarrenherstellerin. Mit dieser Klage war die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht und auch in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht erfolgreich. Der Bundesgerichtshof wies jedoch die Klage mit der Begründung ab, dass das Aufstellen der Möbel weder das Verbreitungsrecht der Beschwerdeführerin verletze noch gegen das Verwertungsverbot verstoße. Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof ein Urteil des EuGH in einem Parallelverfahren an, nach welcher eine „Verbreitung“ im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie nur bei einer Übertragung des Eigentums vorliege. Wenn das urheberrechtlich geschützte Möbelstück jedoch nur zur Benutzung bereitgestellt wird, läge keine Übertragung des Eigentums und damit auch keine Verletzung von Urheberrechten vor.

Dieser Auslegung stehe auch der Wortlaut des § 96 Absatz 1 des deutschen Urheberrechtsgesetzes nicht entgegen, nach welchem „rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke nicht zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden“ dürfen.

Urheberrechtsrichtlinie ist Maximalstandard für Schutzreichweite

Die Europäische Urheberrechtsrichtlinie lege eine verbindliche Regelung eines Maximalschutzes fest. Ein inländisches Gesetz und damit auch ein Urteil eines Gerichts in einem Mitgliedsland der Europäischen Union dürfe diese Obergrenze des Urheberrechtsschutzes nicht überschreiten.

Die Beschwerdeführerin wollte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs freilich nicht hinnehmen. Sie sah sich durch die Verneinung ihres Verbietungsrechts in ihrem verfassungsmäßigen Eigentumsrecht (Art. 14 Grundgesetz) verletzt. Zudem rügt sie eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter, weil der BGH vorab dem EuGH die Fragen hätte vorlegen müssen, ob die beanstandete Aufstellung der Möbel überhaupt in den Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie falle und ob die Richtlinie einen Maximalschutz begründe.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde nun als unbegründet zurück.

Eigentumsrecht auch für ausländische Rechtsinhaber

Zwar könne sich die Beschwerdeführerin auch als ausländische juristische Person auf das Grundrecht auf Eigentum nach Artikel 14 Grundgesetz berufen, da sie als Rechtsperson in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union auch in den Genuss des Schutzes ihrer Grundrechte in Deutschland komme. Die beanstandete Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletze die Beschwerdeführerin aber nicht in ihren Rechten.

BGH hat Rechtsfrage richtig beurteilt

Die Annahme des BGH, die Urheberrechtsrichtlinie in der Auslegung durch den EuGH lasse keinen Spielraum für die Einbeziehung der bloßen Gebrauchsüberlassung von Möbelplagiaten in den Schutz des Urheberrechts, sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

Der BGH konnte davon ausgehen, dass das Urteil des EuGH ihm keinen Spielraum für eine verfassungskonforme Auslegung von § 17 in Verbindung mit § 96 UrhG lässt. Auch habe der Bundesgerichtshof die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage nicht dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen.

Der Bundesgerichtshof habe aus eigenem Ermessen beurteilen können, ob eine entscheidungserhebliche Frage des Gemeinschaftsrechts vom Europäischen Gerichtshof noch nicht erschöpfend beantwortet wurde. Diesen Beurteilungsspielraum habe der BGH nicht überschritten, weshalb keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorliege.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt eine wichtige Frage des Urheberrechts klar: nach der europäischen Urheberrechtsrichtlinie kann der Inhaber des Urheberrechts nicht verbieten, dass rechtsverletzende Gegenstände durch eine bloße Gebrauchsüberlassung benutzt werden.

Vorsicht vor unrichtigen Kommentierungen

Aufstellen und Verkauf sind unterschiedliche Dinge

Die Kommentierung der Entscheidung im Internet zeigt allerdings eindrucksvoll, wie „brandgefährlich“ Urteilsauslegungen auf Internetseiten wirken können. Auf zahlreichen Internetseiten wurde – möglicherweise aufgrund einer missverständlichen Pressemitteilung – aus der Entscheidung gefolgert (und so auch verbreitet), das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Designermöbel-Plagiate an Endverbraucher „verkauft“ werden dürften (Beispiel einer solchen Titelzeile: „Bundesverfassungsgericht: Designermöbel-Plagiate dürfen an Endverbraucher verkauft werden„).

Diese Auslegung ist nach Ansicht des Verfassers ein Irrtum. Mit dem Verkauf von Plagiaten an Endverbraucher hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht befasst, geschweige denn einen solchen Verkauf für zulässig erklärt. Das Wort „Internet“ taucht in der Entscheidung nicht einmal auf.

Diese Abgrenzung geht auch aus dem angegriffenen Urteil des Bundesgerichtshofs selbst hervor:

„Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Frage, ob von einer Verbreitung ausgegangen werden kann, wenn der Öffentlichkeit nur der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werkes überlassen wird, verneint. Er hat angenommen, dass eine Verbreitung auf andere Weise als durch Verkauf i.S. des Art. 4 Abs. 1 der Informationsgesellschafts-Richtlinie nur vorliegt, wenn eine Übertragung des Eigentums an dem Gegenstand erfolgt.“ (BGH: Urteil vom 22.01.2009 – I ZR 148/06)

Gegenstand des Urteils war folglich allein die Frage der Gebrauchsüberlassung. Wenn, wie dies auch beim Verkauf an Verbraucher der Fall ist, eine Übertragung des Eigentums vorliegt, so läge auch bei einer Beurteilung nach der Urheberrechtsrichtlinie eine Urheberrechtsverletzung vor. Das Vertrauen auf  missverständliche Urteilskommentierungen im Internet kann daher schwerwiegende und vor allem auch kostspielige Folgen (Abmahnung, Einstweilige Verfügung, Klage) haben.

Die zu kurz gefassten Mitteilungen übersehen außerdem, dass an Designermöbeln selbstverständlich Geschmacksmusterrechte bestehen können. Ein solches Geschmacksmuster verbietet das Angebot von Waren, die vom Geschmacksmusterschutz umfasst sind und ohne Zustimmung des Rechtsinhabers hergestellt sind. Das Geschmacksmusterrecht gilt auch unabhängig davon, ob für den Gegenstand überhaupt ein Urheberrecht in Betracht kommt.

Bei Fragen zur Zulässigkeit des Angebots von Designartikeln stehen wir Ihnen mit kompetentem Rechtsrat gerne zur Verfügung. Wir unterstützen Sie auch, wenn Sie eine Verletzung Ihrer Schutzrechte durch ein Angebot vermuten. Sprechen Sie uns an.

 

LG München I: Schlecht formulierte Abmahnung wird „Kostenbumerang“

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Die Abmahnung: Werkzeug zur Kostenverringerung

Wenn auch der Erhalt einer Abmahnung beim Adressaten selten zu großer Freude führt: eigentlich ist die Abmahnung ein Instrument zur Förderung des Rechtsfriedens. Durch die Abmahnung soll eine außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten gefördert werden. Der in seinem Recht (ob Markenrecht, Geschmacksmuster, Patent, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht usw.) verletzte soll dem Verletzer die Gelegenheit geben, die Rechtsverletzung einzusehen und die Gefahr künftigerRechtsverletzungen dadurch auszuräumen, dass er eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Wird beispielsweise eine Markenstreitigkeit auf diese Art und Weise beigelegt, entstehen deutlich geringere Kosten wie im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Entscheidend: Richtige Reaktion auf Abmahnung

Natürlich wird häufig die Frage nach der richtigen Reaktion auf eine Abmahnung gestellt. Dabei gibt es kein Patentrezept. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Abmahnung berechtigt ist und welche Interessen des Abgemahnten bestehen. In der Rechtsprechung war lange bereits umstritten, ob man überhaupt auf eine Abmahnung antworten muss. Einen weiteren interessanten Beitrag zu diesem Thema leistete nun das Landgericht München I in einer soeben veröffentlichten Entscheidung (LG München I, Urteil vom 26.05.2011 – 7 O 172/11).

Verschiedene russische Tonträgerunternehmen ließen eine Antragsgegnerin wegen der Verletzung von Urheberrechten abmahnen. In der Abmahnung waren allerdings weder die angeblich rechtsverletzenden Tonträger benannt noch die Werke, die Gegenstand der verletzten Urheberrechte sein sollen. Die Abgemahnte reagierte auf die Abmahnung gar nicht. Die Abmahnende beantragte daraufhin beim Landgericht München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Abgemahnte, die das Gericht auch wie beantragt erließ.

Die Abgemahnte legte gegen die einstweilige Verfügung einen sogenannten Kostenwiderspruch ein. Dabei handelt es sich um einen Widerspruch, der sich allein gegen die Verpflichtung richtet, die Kosten des Verfügungsverfahrens zutragen. Das Gericht gab der Abgemahnten Recht und hob die einstweilige Verfügung im Kostenausspruch auf. Die Folge: die Antragstellerin muss ihre Kosten sowie die Gerichtskosten selbst tragen und obendrein noch der Abgemahnten die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstatten.

LG München I: Abmahnung muss beantwortet werden

Grundsätzlich habe der wegen Verletzung des Urheberrechts oder eines gewerblichen Schutzrechts Abgemahnte die Pflicht, auf die Abmahnung zu reagieren. Der Abgemahnte müsse in der Regel den Abmahnenden darauf hinweisen, dass seine Abmahnung nicht schlüssig sei oder warum sie aus anderen Gründen vom Abgemahnten für unberechtigt gehalten wird.

…aber nicht bei fehlenden Minimalinformationen

Eine solche „Antwortpflicht“ des Abgemahnten bestehe jedoch nur dann, wenn der Abgemahnte aufgrund der in der Abmahnung mitgeteilten Informationen in die Lage versetzt ist, sich ein Bild über die Sach- und Rechtslage zu machen. Die Abmahnung muss dem Abgemahnten ermöglichen, gegebenenfalls selbst eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu formulieren oder eben begründet zu entscheiden, warum eine solche Erklärung nicht abgegeben wird. Das setzt voraus, dass der Abmahnende den mit der Abmahnung zum Ausdruck gebrachten Vorwurf, also die behauptete Rechtsverletzung, ausreichend klar und nachvollziehbar darstellt. Fehlt es an einer solchen inhaltlichen Begründung, muss der Abgemahnte nach Ansicht des Gerichts auch nicht auf die Abmahnung antworten.
Der Abgemahnte kann sich vielmehr bei einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung dazu entscheiden, den Rechtsanspruch des Abmahnenden anzuerkennen und dem Abmahnenden dennoch die Kosten der gerichtlichen Auseinandersetzung auferlegen zu lassen. Denn der Abgemahnte hat in diesem Fall keine Veranlassung für eine gerichtliche Auseinandersetzung gegeben, da die Abmahnung für eine außergerichtliche Klärung nicht ausreichend bestimmt war.

Richtige Reaktion: Frage des Einzelfall

Die Entscheidung sollte nicht verallgemeinert werden. So ist durchaus umstritten, ob der Empfänger einer Abmahnung beispielsweise antworten muss, wenn die Abmahnung inhaltlich zwar hinreichend bestimmt, aber unbegründet ist.

Das Urteil zeigt jedoch einmal mehr, wie wichtig qualifizierte Beratung beim Thema Abmahnung ist. Wer eine Abmahnung erhalten hat, sollte mit einem spezialisierten Rechtsanwalt klären, welches Verhalten für den Abgemahnten die größten Vorteile bzw. die geringsten Risiken mit sich bringt. Die beim Thema Abmahnung oftmals beherrschenden Emotionen sollten dabei die geringste Rolle spielen. Die Streitwerte bei Unterlassungsansprüchen und damit auch die Kosten gerichtlicher Auseinandersetzungen sind im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (z.B. bei Ansprüchen wegen der Verletzung gewerblicher Schutzrechte wie beispielsweise Patente oder Marken oder wegen Wettbewerbsverletzungen) sehr hoch. Auch die Abgabe einer Unterlassungserklärung kann zu beträchtlichen Risiken führen, weil im Fall der Zuwiderhandlung erhebliche Vertragsstrafen drohen. Es geht also um viel und dementsprechend ernst sollten Abmahnungen immer genommen werden.

Risiko auch für Abmahner

Aber auch derjenige, der sich in seinem Recht verletzt sieht und eine Abmahnung ausspricht sollte dies nur mit fachkundiger Unterstützung tun. Auch hier gilt: Hohe Streitwerte führen zu großen Kostenrisiken. Dass dies auch für den Abmahnenden schnell zum Problem werden kann, zeigt die Entscheidung des Landgerichts München I. Irrtümer können also teuer werden.

Sie sind Rechtsinhaber und möchten gegen Verletzungen Ihres Schutzrechts vorgehen? Sie sehen sich in Ihren Urheberrechten, beispielsweise an Texten oder Fotografien verletzt? Sie haben eine Abmahnung erhalten und möchten wissen, was jetzt am besten zu tun ist? Wir helfen Ihnen gerne – kompetent, direkt und auf Augenhöhe. Sprechen Sie uns an.

 

 

 

 

 

(k)ein Kinderspiel: BGH zum Urheberrecht an Spielen

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Urheberrecht für Spiele: Anforderungen hoch

Das Urheberrecht schützt den Urheber vor der unberechtigten Verwertung seines Werkes. Der Urheber kann Dritten verbieten, von seinem Werk auf urheberrechtlich relevante Art und Weise Gebrauch zu machen. Allerdings fordert die Rechtsprechung für das Bestehen von Urheberrechten eine gewisse Qualität des Werkes (das Erreichen der so genannten „Schöpfungshöhe„). Darüber hinaus besteht das Urheberrecht nicht an der abstrakten Idee des Werkes, sondern an der im konkreten Werk verkörperten persönlich-geistigen Schöpfung. Um es salopp auszudrücken: das Urheberrecht schützt den Braten und nicht das Rezept.

Die Anforderungen des Urheberrechte führen insbesondere bei den Gestaltern und Anbietern von Spielen oft zu Verärgerung. Die Entwicklung selbst einfacher Spiele erfordert oftmals großen Aufwand und ein hohes Maß an Kreativität. Dennoch hat die Rechtsprechung Spielideen für nicht schutzfähig erachtet (z.B. Landgericht Mannheim,  Urteil vom  29. 2. 2008 –  7 O 240/07  betreffend die Idee für ein Würfelspiel). Kopien von Spielen wurden daher meistens für zulässig erachtet, selbst wenn ein anderes Spiel nur mit sehr geringen Abweichungen „abgekupfert“ wurde.

BGH: Urheberrechtsschutz möglich

Ein wenig Hoffnung  für Spielentwickler hat der Bundesgerichtshof mit einer heute veröffentlichten Entscheidung  geschaffen:

Der  auch für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bestätigt, dass für Lernspiele ein Urheberrechtsschutz als „Darstellungen wissenschaftlicher Art“ bestehen kann (Urteil vom 1. Juni 2011 – I ZR 140/09 – Lernspiele).

Gegenstand des Streits war ein Lernspiel, das aus mehreren Übungsheften und einem Kontrollgerät besteht und von der Klägerin in drei Varianten angeboten wird.  Die Spielidee aller Varianten ist gleich. So besteht das Kontrollgerät eines der Lernspiele aus einem flachen Kunststoffkasten, in dem zwölf quadratische Plättchen in zwei Reihen zu je sechs Plättchen auf dafür vorgesehenen Feldern liegen. Die Plättchen sind auf der Vorderseite von eins bis zwölf durchnummeriert und auf der Rückseite mit roten, blauen oder grünen Farbmustern versehen. Die Aufgabe des Anwenders besteht darin, die Plättchen nach der Aufgabenstellung des Übungsheftes einem bestimmten Feld zuzuordnen. Hat der Anwender die Aufgabe richtig gelöst, kann er dies, wenn er das Kontrollgerät umdreht, daran erkennen, dass die Rückseiten der Plättchen das gleiche Muster bilden, wie es das Übungsheft für die richtige Lösung vorsieht.

Die Beklagte hat die Spielidee der Klägerin übernommen und nach dem gleichen Prinzip funktionierende Lernspiele angeboten. Dies gefiel der Klägerin natürlich nicht. Sie forderte von der Konkurrentin Unterlassung und Schadensersatz.

Nachdem das Landgericht der Klägerin recht gab, scheiterte sie vor dem Oberlandesgericht. Dass Oberlandesgericht wies die Klage ab, weil die von der Beklagten angebotenen Spiele Unterschiede zu den Spielen der Klägerin aufwiesen. Die Klägerin zog deshalb zum Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Er verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Lernspiel: Urheberrechtsschutz denkbar

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Lernspiele der Klägerin durchaus als Darstellungen wissenschaftlicher Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG urheberrechtlich geschützt sein können.

Für solche Darstellungen wissenschaftlicher Art sei wesentlich, dass sie der Vermittlung von belehrenden oder unterrichtenden Informationen dienen. Bereits die Darstellung einfachster „wissenschaftlicher“ Erkenntnisse kann durch ein Urheberrecht geschützt werden.

Die von der Klägerin entwickelten Kontrollgeräte könnten im Zusammenspiel mit den Übungsheften die Anforderungen für den Urheberrechtsschutz erfüllen. Das Oberlandesgericht hat nach dem Urteil des BGH jetzt zu prüfen, ob die Lernspiele der Klägerin eine so eigentümliche Formgestaltung aufweisen, dass sie als Darstellungen wissenschaftlicher Art Urheberrechtsschutz genießen.

Abstand von der Masse nötig

Für den Urheberrechtsschutz reicht es  nach dem Urteil des BGH schon aus, dass sich das Lernspiel der Klägerin von der Masse vergleichbarer Lernspiele abhebt. Dabei sei aber nicht notwendig, dass ein großes Maß der geistigen Leistung und individuellen Prägung  vorliegt.

Sollten die Lernspiele der Klägerin sich allerdings nur wenig von den vergleichbaren Spielen abheben, sei die Reichweite des Urheberrechts nur gering. Dementsprechend könnten bereits verhältnismäßig geringfügige Abweichungen in der Gestaltung der Lernspiele der Beklagten zur Folge haben, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Die Entscheidung des BGH gibt den Spielanbietern etwas Hoffnung. Die Landgerichte und Oberlandesgerichte werden sich künftig sehr detailliert mit Spielkonzepten auseinandersetzen müssen, bevor ein Schutz durch das Urheberrecht verneint wird. Wesentlich wird bei Lernspielen sein, welche Unterschiede zu vorbekannten Spielkonzepten vorliegen. Hochgradig phantasievolle und neue Spiele können dann auch gegen abgeänderte Nachahmungen geschützt sein.

Ergänzende Schutzmöglichkeiten: Wettbewerbsrecht und Geschmacksmuster

In Ausnahmefällen könnte für Speiele auch ein wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz bestehen. Der so genannte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz verbietet die Nachahmung eines Erzeugnisses, wenn dadurch eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich des Herstellers  geschaffen oder der gute Ruf eines Spieleranbieters ausgenutzt wird. Allerdings schützt auch das Wettbewerbsrecht nicht die Idee als solche. Wird also nur das Spielkonzept nachgeahmt und lassen sich die Spiele bzw. deren Anbieter dennoch klar unterscheiden, sind wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche eher wenig wahrscheinlich (so auch schon BGH,  Urteil vom  28. 10. 2004 –  I ZR 326/01). Darüber hinaus muss der Spieleanbieter vor Gericht nachweisen, dass die Spielgestaltung als Herkunftshinweis verstanden wird oder dass aufgrund der Spielekopie ein besonders guter Ruf ausgebeutet wird. Dieser Beweis muss im Einzelfall durch – teure – Gutachten geführt werden.

Spielanbietertun gut daran, frühzeitig über einen umfassenden Schutz ihres Erzeugnisses nachzudenken. So lassen sich beispielsweise durch Geschmacksmuster konkrete Spielgestaltungen einfach, schnell und günstig schützen. Dann kommt es im Fall einer naheliegenden Nachahmung nicht mehr darauf an, ob die Hürden des Urheberrechts oder die Anforderungen des wettbewerbsrechtlichen Schutzes im konkreten Einzelfall erfüllt sind.

 

Sie sind Spielentwickler und wollen sich über Schutzmöglichkeiten für Ihre Kreationen informieren? Sie wollen Spiele entwickeln und dabei nicht gegen fremde Rechte verstoßen? Sie wollen sich gegen eine Verletzung Ihrer Rechte wehren? BBS ist Ihr Partner, wenn es um  geistiges Eigentum und Schutzrechte geht. Wir stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und schaffen für Sie Klarheit. Effektiv, verständlich und praxisgerecht. Wir sind gerne für Sie da.

Ernstfall Abmahnung: wie Sie richtig reagieren

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Abgemahnt – was tun?

Auf zahllosen Internetseiten werden aktuelle Urteile (im Bereich gewerblicher Rechtsschutz und zu vielen anderen Themen) veröffentlicht, kommentiert und zusammengefasst. Man gewinnt beinahe den Eindruck, dass das Internet durch juristische Informationen geradezu überflutet wird. Andererseits erweisen sich für den sachverständigen Betrachter viele der wohlmeinenden Informationen nicht nur als falsch, sondern geradezu als gefährlich. Dies trifft insbesondere auf das Reizthema „Abmahnung“ zu. In unzähligen Forenbeiträgen und Artikeln aus mehr oder weniger kenntnisreicher Feder (bzw.: Tastatur) werden „heisse“ Tipps und gut gemeinte Empfehlungen verbreitet, deren Befolgung für den Ratsuchenden mitunter in einer finanziellen Katastrophe endet.

Diese Informationen  sollen Licht ins Dunkle bringen. Wir schildern Ihnen, welchen Hintergrund Abmahnungen haben, wie darauf reagiert werden kann und vor allem, was der Empfänger einer Abmahnung tun oder gerade auch lassen sollte.

Diese Information richtet sich an Unternehmer, beispielsweise Shop-Betreiber (z.B. für Fragen zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Patentrecht, Geschacksmusterrecht oder zur Verletzung von Urheberrechten auf gewerblichen Websites) und befasst sich nicht mit den sogenannten Filesharing-Abmahnungen, die wegen der Teilnahme an Tauschbörsen für Software, Musik und Filme ausgesprochen werden. Zum Thema Filesharing und Abmahnungen finden Sie hier umfangreiche Informationen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie weitere Fragen haben.

Die Abmahnung, das unbekannte Wesen

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Abmahnung: ärgerlich, aber auch schnell gefährlich und teuer
©PantherMedia/Tomas Anderson

Grundsätzlich lösen Abmahnungen fast immer zunächst Empörung aus. „Abzocke“, „Betrug“ oder „Wegelagerei“ sind typische Begriffe, wenn ein solches höchst unerwünschtes Schriftstück im Briefkasten liegt oder aus dem Telefaxgerät kommt.

Dabei ist der Grundgedanke der Abmahnung eigentlich keineswegs die Erzeugung von Kosten – sondern genau das Gegenteil. Der Inhaber eines Anspruchs kann natürlich zu Gericht gehen, um diesen Anspruch durchzusetzen. Das gilt nicht nur für Geldforderungen, sondern auch für Unterlassungsansprüche. Allerdings hat der Gesetzgeber in der Zivilprozessordnung die Möglichkeit des so genannten „sofortigen Anerkenntnisses“ geschaffen, um die aussergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zu fördern. Wer also seinen Gegner sofort vor Gericht zerrt, hat selbst alle Kosten zu tragen, wenn der Gegner sich sofort fügt und den Klageanspruch anerkennt. Ein solches Anerkenntnis kommt aber dann nicht mehr in Betracht, wenn der Gläubiger seinen Schuldner vorher „gemahnt“ hat. Bei Unterlassungsansprüchen hat die Abmahnung diese Funktion.

Wer rechtswidrig in ein fremdes Recht eingreift, also beispielsweise eine Marke, ein Patent, ein Geschmacksmuster, ein Gebrauchsmuster oder ein urheberrechtlich geschütztes Foto ohne die Zustimmung des Berechtigten benutzt, kann vom Verletzten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Das gilt auch bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, z.B. durch irreführende Werbung.

Aus der erstmaligen Rechtsverletzung schließt die Rechtsprechung eine sogenannte Wiederholungsgefahr. Bei der erstmaligen Rechtsverletzung geht man also davon aus, dass sich die Rechtsverletzung jederzeit wiederholen kann. Um diese Wiederholungsgefahr zu beseitigen, reicht es nicht aus, dass das rechtsverletzende Verhalten eingestellt wird. Schließlich hat es ja bereits einmal stattgefunden. Vielmehr ist erforderlich, dass der Rechtsverletzer eine so genannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt. Strafbewehrt bedeutet, dass der Unterlassungsschuldner dem Gläubiger verspricht, für den Fall der Wiederholung einer Vertragsstrafe zu zahlen. Durch das Versprechen einer Vertragsstrafe (die erst bei einer künftigen Wiederholung der Verletzung fällig wird)  zeigt der Unterlassungsschuldner, dass er es ernst meint und sich an sein Unterlassungsversprechen gebunden fühlt. Wird eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, so ist der Gläubiger des Unterlassungsanspruchs gesichert. Es steht ihm dann keine Grundlage mehr zur Verfügung, die Unterlassung gerichtlich zu erzwingen. Und genau darum geht es bei der Abmahnung:

Eine Abmahnung ist nichts anderes, als die Information an den Rechtsverletzer, dass er widerrechtlich handelt sowie die Aufforderung, zur Vermeidung gerichtlicher Schritte eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (und natürlich die rechtsverletzende Handlung einzustellen).

Der Gesetzgeber hat beispielsweise im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und im Urheberrechtsgesetz sogar ausdrücklich vorgesehen, dass der Verletzte dem Rechtsverletzer durch eine Abmahnung die Gelegenheit zur aussergerichtlichen Streitbeilegung geben soll:

§ 12 Absatz 1 UWG:

„(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.“

Wird auf eine Abmahnung eine ausreichende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, so entstehen eben gerade nicht die Kosten der gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Sache wird also im Ganzen kostensparender erledigt.

Ursache der Abmahnung: die Verletzung

Bei Abmahnungen geht es immer um Unterlassungsansprüche. Solche Unterlassungsansprüche entstehen durch die Verletzung fremder Rechte. Eine Marke gibt beispielsweise ihrem Inhaber das ausschließliche Recht, das Zeichen im geschäftlichen Verkehr für die Waren und Dienstleistungen zu benutzen, die vom Markenschutz umfasst sind und Dritten zu verbieten, ein identisches oder ähnliches Zeichen zu nutzen, wenn dadurch eine Verwechslungsgefahr entsteht. Das Patent gibt seinem Inhaber das Recht, Dritten die Benutzung des geschützten Gegenstands oder Verfahrens zu verbieten. Das Geschmacksmuster gewährt seinem Inhaber ein Verbietungsrecht gegenüber Dritten, den von Geschmacksmuster geschützten Gegenstand verwenden. Gleiches gilt für Urheberrechte. Auch wer gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, ist gegenüber seinen Wettbewerbern zur Unterlassung verpflichtet.

Solche Unterlassungsansprüche sind verschuldensunabhängig. Wer gegen fremde Rechte verstößt, hat dies zu unterlassen. Und zwar auch dann, wenn er die Rechtsverletzung eigentlich nicht wollte. Dies klingt hart, ist jedoch bei näherer Betrachtung eigentlich ganz fair. Es kommt also nicht darauf an, dass der Benutzer eines Fotos wusste, dass die Urheberrechte eigentlich bei einem Dritten liegen. Der Verwender eines Zeichens muss nicht gewusst haben, dass dieses Zeichen durch die Marke eines Dritten abgedeckt ist. Der Anbieter einer Ware musste nicht einmal das Geschmacksmuster kennen, welches die angebotenen Gegenstände schützt. Auch musste der Verwender eines Verfahrens nicht wissen, dass auf dieses Verfahren zugunsten eines Dritten ein Patent besteht. „Ich konnte nichts dafür, weil ich von dem Schutzrecht nichts wusste“ ist also keine taugliche Erwiderung auf eine Abmahnung.

Die Gerichte fordern überdies von Gewerbetreibenden äußerst hohe Sorgfaltsmaßstäbe. Wer eine Ware importiert, hat sich beispielsweise über sämtliche in Betracht kommenden Marken, Patente und sonstigen Schutzrechte zu informieren und zu recherchieren. Wer dies nicht tut, handelt bereits schuldhaft. Das Risiko soll nach dem Wille des Gesetzgebers nicht beim Inhaber eines Schutzrechts liegen, sondern bei demjenigen, der im geschäftlichen Verkehr auftritt und fremde Schutzrechte beachten muss.

Der Unterlassungsanspruch besteht in der Regel gegen alle Beteiligten in der Verwertungskette. So kann beispielsweise der Anbieter eines verletzenden Produkts den Inhaber der Patentrechte nicht auf den Hersteller verweisen, weil der ja durch die Produktion die Rechtsverletzung erst möglich gemacht hat. Auch das Anbieten ist eine Rechtsverletzung. Der Anbieter haftet also neben dem Hersteller.

Form und Inhalt

Für Abmahnungen existieren keine detaillierten Formvorschriften. Für eine wirksame Abmahnung ist nur erforderlich, dass der Verletzte den Verletzer über eine konkrete Rechtsverletzung informiert und zur Vermeidung gerichtlicher Schritte innerhalb einer gesetzten Frist die Abgabe einer Unterlassungserklärung fordert. Umfangreiche Rechtsausführungen sind ebenso wenig erforderlich wie das Beifügen einer vorformulierten Unterlassungserklärung. Eine wirksame Abmahnung muss nicht einmal schriftlich erfolgen. So sind – wenn auch in der Praxis äußerst selten – mündliche Abmahnungen durchaus denkbar.

Ebenfalls nicht erforderlich ist – und dies ist seit Kurzem höchstrichterlich geklärt – eine Originalvollmacht. Dabei gilt: Ein Rechtsanwalt mahnt in der Regel natürlich nicht im eigenen Namen ab. Er macht vielmehr die Unterlassungsansprüche eines Mandanten geltend. Immer wieder wird gemunkelt, Mandant und Rechtsanwalt arbeiteten zusammen und bereicherten sich gemeinsam an den durch die Abmahnung entstehenden Kosten des Gegners. Auch wird gerne behauptet, dass der Rechtsanwalt gar keinen Mandanten habe.

So oft diese Vorwürfe zu hören sind: Der Abgemahnte müsste solche Umstände vor Gericht beweisen. Fakt ist: Ein Rechtsanwalt, der für einen nicht existierenden Mandanten abmahnt, begeht dadurch einen Betrug und riskiert seine Zulassung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Rechtsanwälte ihre Existenz und ihre berufliche Zukunft für Erträge aus „gefälschten“ Abmahnungen aufs Spiel setzen würden. Allerdings hat es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gegeben, in denen sich Betrüger als abmahnender Rechtsanwalt ausgegeben haben. Eine Prüfung sollte daher auf jeden Fall erfolgen.

Rechtsmissbrauch: stets behauptet und selten bewiesen

Gerne wird gegen Abmahnungen der Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben. Rechtsmissbrauch bedeutet, dass es dem Abmahnenden nicht um seinen Unterlassungsanspruch, sondern um andere Zwecke (beispielsweise das Erzeugen erstattungsfähiger Kosten) geht. Hunderte von Forenbeiträgen erwecken den Eindruck, dass nahezu jede Abmahnung rechtsmissbräuchlich und daher am besten gar nicht erst zu beachten ist. Interessant ist, dass sich sogar eine Bundesjustizministerin dazu verstieg, den Abgemahnten zu empfehlen, solche Briefe „in den Mülleimer“ zu werfen – ein Rat, der den Betroffenen teuer zu stehen kommen kann. Denn viele der Vermutungen und Mythen, die in Internetforen verbreitet werden, sind schlichtweg falsch und entsprechen nicht den gerichtlichen Maßstäben.

Fakt ist: Das Vorliegen des Rechtsmissbrauchs muss der Abgemahnte beweisen. Dabei reicht es beispielsweise nicht aus, dass eine große Anzahl von Abmahnungen verschickt wurde und der eingeschaltete Rechtsanwalt als „Abmahnanwalt“ bekannt ist. Bei Patenten, Marken und anderen gewerblichen Schutzrechten ist ein Rechtsmissbrauch allein durch die Menge verschickter Abmahnungen so gut wie ausgeschlossen. Natürlich hat der Inhaber eines Schutzrechts das Recht, sich gegen eine Vielzahl von Verletzungen auch mit einer Vielzahl von Abmahnungen zu wehren. Bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen kann von einem Rechtsmissbrauch dann ausgegangen werden, wenn das durch die Abmahnungen für den Abmahnenden geschaffene Prozesskostenrisiko in keinem Verhältnis mehr zu seinem Geschäftsbetrieb steht. In der gerichtlichen Praxis sind Fälle, in denen ein Rechtsmissbrauch erfolgreich dargelegt und bewiesen werden kann, äußerst selten.

Abmahnung erhalten – wie richtig reagieren?

Wer eine Abmahnung erhalten hat, sollte vor allem eines tun: Ruhe bewahren.

Zunächst einmal sollte geprüft werden, ob der dargestellte Sachverhalt zutrifft. Ist eine Abmahnung in der Sache falsch, ist sie auch selten begründet. Dabei sollte man jedoch scharf zwischen Tatsachen und Rechtsmeinungen unterscheiden. Natürlich meinen die meisten Empfänger einer Abmahnung im Markenrecht, dass sie die fremde Marke nicht verletzen würden. Genau dies ist dann oft Gegenstand kostspieliger gerichtlicher Auseinandersetzungen. In der Sache falsch ist eine Abmahnung nur, wenn der Sachverhalt nicht zutrifft, wenn also beispielsweise das beanstandete Warenangebot nie stattgefunden hat.

Trifft der Sachverhalt zu, sollte zunächst geprüft werden, ob die behauptete Rechtsverletzung nicht schnellstmöglich abgestellt werden kann. In den meisten Fällen wird im reinen und unkommentierten Entfernen der Rechtsverletzung keineswegs ein Schuldeingeständnis zu sehen sein. Andererseits bestehen beispielsweise bei Urheberrechtsverletzungen oftmals Schadensersatzansprüche. Mit jedem Tag, an welchem zum Beispiel die beanstandete Bilddatei veröffentlicht war, können solche Ansprüche vermehrt werden.

Sodann sollte der Abgemahnte einen fachkundigen Rechtsanwalt zur Hilfe nehmen und das weitere Vorgehen in der Sache prüfen lassen. Ist die Abmahnung unberechtigt, kann sie zurückgewiesen werden – das geht in vielen Fällen sogar auf Kosten des Abmahnenden. Ist sie berechtigt, sollte geprüft werden, ob eine Unterlassungserklärung abgegeben werden soll und welchen genauen Umfang diese Erklärung haben muss. In manchen Fällen ist es unter Risikogesichtspunkten geboten, eher das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung in Kauf zu nehmen, um damit ein hohes Vertragsstrafenpotential zu vermeiden. Unsere Empfehlung spezialisierten und kompetenten Rechtsrats ist keineswegs eigennützig. Fragen zum gewerblichen Rechtsschutz sind oftmals sehr komplex. Wenn es um das Wettbewerbsrecht oder gewerbliche Schutzrechte geht, sind in vielen Fällen vertiefte Spezialkenntnisse erforderlich, um einen Sachverhalt rechtlich zutreffend beurteilen zu können. Tausende von Entscheidungen existieren zur Wirksamkeit – und damit auch zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit – von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Unzahl von Entscheidungen unterschiedlichster Gerichte befasst sich mit Marken, deren Unterscheidungskraft, der Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen, der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Benutzung eines Zeichens in einem bestimmten Kontext oder auf eine bestimmte Art und Weise. Selbst rechtlich fachkundige Leser verstehen oftmals den Schutzbereich eines Patents nur mit Mühe. Unsere Erfahrung zeigt daher: wer auf Abmahnungen ohne qualifizierten Rat reagiert, trägt am Ende oft wesentlich höhere Kosten, als er sie selbst unter Berücksichtigung eigener Rechtsanwaltskosten bei der Beiziehung eines Anwalts gehabt hätte. Wer bei der Verteidigung seiner eigenen Rechtsposition spart, sollte sich über das Ergebnis nicht wundern.

Über Abmahnungen, die Produkte betreffen (z.B. Abmahnungen wegen Markenrechten) sollte auch umgehend der Lieferant benachrichtigt werden. So lassen sich weitere Abmahnungen oftmals vermeiden und durch ein gemeinsames Vorgehen Kosten sparen.

Die teuerste „Rechtsberatung“: falsche Informationen aus dem Internet

Der klassische Fall unzureichender Rechtsberatung ist die Zurückweisung von Abmahnungen als rechtsmissbräuchlich. Ein Beispiel hierzu sieht wie folgt aus: Eine Abmahnung geht ein. Der Abgemahnte (beispielsweise Betreiber eines eBay-Shops) soll es unterlassen, ein bestimmtes markenrechtlich geschütztes Zeichen zu benutzen. Der Betroffene wendet sich an die vermeintlich sachkundigste und dabei auch noch kostenlose Rechtsberatung: ein Internetforum. Dort wird ihm von einer großen Zahl seiner „Mitstreiter“ (die meistens nicht betroffen sind und damit auch nichts zu verlieren haben) mitgeteilt, dass der Abmahnende durchaus bekannt ist. Der hat ja sicherlich schon 1000 Abmahnungen ausgesprochen. Außerdem macht er bestimmt mit seinem Rechtsanwalt gemeinsame Sache. Besser noch: der die Abmahnung aussprechende Rechtsanwalt wird mit dem „Abmahner“ verwechselt und es werden (in der Praxis eher weniger erfolgversprechende) Strategien gegen Rechtsanwalt XYZ empfohlen, welcher natürlich als „Betrüger“ bekannt ist.

Dementsprechend fällt auch die Antwort des Shopbetreibers an den abmahnenden Rechtsanwalt aus. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs wird erhoben, daneben auch gerne eine große Zahl weitergehender Vorwürfe (Täuschung und Betrug!). Es dauert nicht lange, und es liegt ein weiterer (dickerer) Umschlag im Briefkasten des Shop-Betreibers. Dieser enthält dann eine gerichtliche einstweilige Verfügung. Da diese einstweilige Verfügung von einem Landgericht erlassen wurde, muss der Abgemahnte sich nun einen Rechtsanwalt zur Hilfe nehmen. Denn vor Landgerichten ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vorgeschrieben. Der Rechtsanwalt prüft den Sachverhalt und kommt zu folgendem Ergebnis: Das verwendete Zeichen ist mit der Marke ähnlich, die Waren vom Markenschutz umfasst. Es liegt also mit großer Wahrscheinlichkeit eine Markenverletzung vor. Das sah auch das Gericht so, da es ja die Einstweilige Verfügung erlassen hat. Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen im Markenrecht sind in der Praxis höchst selten. Selbstverständlich konnte der Rechtsinhaber sich in der Vergangenheit gegen eine Vielzahl von Verletzungen auch mit einer Vielzahl von Abmahnungen wenden. Die einstweilige Verfügung wird vom Gericht also mit größter Wahrscheinlichkeit bestätigt werden. Statt ein paar 100 € kostet die Angelegenheit nun mehrere 1000 €. Der Abgemahnte musste dabei am Ende doch einen Anwalt in Anspruch nehmen. Die vermeintlich kostenlose Rechtsberatung im Internetforum schlägt mit dem völlig unnötig entstandenen Differenzbetrag zu Buche.

Was unbedingt zu vermeiden ist

Das Folgende sollten Sie unbedingt vermeiden, wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben:

Untätigkeit: Wer auf eine Abmahnung nicht reagiert, riskiert die erheblich höheren Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Bei gerichtlichen Streitigkeiten kommen nämlich neben weiteren Anwaltskosten auch Gerichtskosten auf den „Verlierer“ zu. In Abmahnungen sind oftmals sehr kurze Fristen gesetzt. Dabei gilt: Bei Unterlassungsansprüchen können auch kurze Fristen durchaus angemessen sein. Selbst eine unangemessen kurze Frist macht die Abmahnung nicht unwirksam. Statt der zu kurzen Frist gilt stattdessen eine angemessene Frist. Wer auf eine Abmahnung mit 3 Tagen Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gar nicht reagiert, muss also die Kosten einer zwei Wochen später beantragten berechtigten einstweiligen Verfügung tragen, selbst wenn die in der Abmahnung gesetzte Frist eigentlich zu kurz war.

Eigene Reaktion: Natürlich ist der Unmut über eine Abmahnung und insbesondere die beigefügte Kostenaufstellung häufig groß. Bei allem Ärger – reagieren Sie nicht selbst. Oftmals werden in Telefonaten von Abgemahnten genau die Informationen mitgeteilt, die dem Abmahnenden noch gefehlt haben. Schadensersatzansprüche werden dadurch möglicherweise vergrößert. So sehr es den Abgemahnten danach drängt, seinem Unmut Luft zu machen – auch hier kann nichts Gutes das Resultat sein. Durch emotionale Belastung wird kein Rechtsstreit „besser“, sprich aussichtsreicher. Der Verfasser kennt Fälle, in denen beispielsweise der Abgemahnte den gegnerischen Rechtsanwalt im Eifer des Gefechts herzhaft beschimpfte. Eine solche Vorbelastung macht eine nicht selten durchaus vernünftige gütliche Einigung nicht einfacher. Auch die Zustimmung beispielsweise zu einer Ratenzahlung ist nicht leichter zu erzielen, wenn der Rechtsverletzer dem Rechtsinhaber zuvor Betrug und Rechtsmissbrauch vorgeworfen hat.

Falsche Reaktion: Bitte lassen Sie sich qualifiziert beraten. Es geht oft um viel, wenn in gewerblichen Sachverhalten Unterlassungsansprüche im Raum stehen. Während es jedoch für fast jeden Unternehmer selbstverständlich ist, dass er die Bremsen seines Autos in einer Fachwerkstatt warten lässt, sieht das bei der Rechtsberatung oft ganz anders aus: Hochkomplexe Verträge werden selbst angefertigt. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden von den Konkurrenten „zusammengeklaut“.

Markige Drohungen mit Gegenabmahnungen („Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt!“) werden in das Impressum der Website aufgenommen, die ebenso rechtlich unsinnig sind wie sie den rechtlich beratenen Gegner zu „harten“ rechtlichen Schritten geradezu auffordern. Auf Abmahnungen antwortet der Unternehmer selbst oder er zieht in dem jeweiligen Rechtsgebiet möglicherweise nicht spezialisierte Berater hinzu. Wie oben bereits erwähnt: bei Abmahnungen geht es sehr oft um äußerst schwierige Rechtsfragen – und obendrein meistens um viel Geld. Wer sich hier nicht mit dem jeweils aktuellen Meinungsstand der Gerichte, ja sogar mit den lokalen Besonderheiten der durchaus manchmal unterschiedlichen Rechtsprechungstendenzen auskennt, kommt bei der Beurteilung der Rechtslage schnell zum falschen Ergebnis. Suchen Sie einen spezialisierten Rechtsanwalt, der in der Materie Experte ist und mit Ihnen gemeinsam nüchtern und gelassen das rechtlich und auch ökonomisch für Sie beste Vorgehen unter Berücksichtigung Ihrer finanziellen Rahmenbedingungen entwickelt. Sie benötigen als Partei eines Rechtsstreits nicht einen  Berater, der Ihnen Recht gibt, sondern einen solchen, der das Recht kennt.

Einfach die beigefügte Unterlassungserklärung unterschreiben: Unbedingt vermeiden sollten Sie auch die ungeprüfte Abgabe der einer Abmahnung beigefügten Unterwerfungserklärung (dort meistens „Unterlassungserklärung“ oder „Unterlassungsverpflichtungserklärung“ genannt). Die vorformulierten Unterlassungserklärungen sind oftmals zu weit gefasst. Es sind darin häufig Anerkenntnisse oder Verpflichtungen enthalten, die der Abgemahnte in der geforderten Form nicht schuldet. Auch das Vertragsstrafenrisiko, also die Gefahr, bei menschlich mitunter nicht vermeidbaren Fehlern hohe Summen an den Gegner zahlen zu müssen, kann durch eine zulässige Modifikation möglicherweise erheblich vermindert werden.

Der Königsweg: Abmahnungen vermeiden

Die preiswerteste und nervenschonendste Art des Umgangs mit Abmahnungen ist natürlich, gar nicht erst welche zu erhalten. In der Praxis ist dies oftmals weder schwer noch teuer.

Viele Abmahnungen im Bereich des Wettbewerbsrechts beziehen sich auf Rechtstexte wie beispielsweise allgemeine Geschäftsbedingungen und Widerrufsbelehrungen. Lassen Sie sich solche Texte von einem fachkundigen Rechtsberater erstellen. In der Praxis werden allgemeine Geschäftsbedingungen vielfach aus unterschiedlichsten Vorlagen mühevoll „zusammengebastelt“. Das Ergebnis sind dann z.B Geschäftsbedingungen die nicht nur abmahnfähig, sondern auch unwirksam und sind und obendrein sinnvolle und kaufmännisch vorteilhafte zulässige Regelungen gerade nicht enthalten. Der Verfasser kennt Händler-AGB mit nicht weniger als knapp 20 abmahnfähigen und großteils wirtschaftlich bedeutungslosen Regelungen, in denen aber der höchst bedeutsame Eigentumsvorbehalt durch eine Zusatzpassage komplett ausgehebelt wurde. Die Erstellung von Verträgen, AGB und sonstigen Rechtstexten, aber auch die Prüfung von Internetangeboten auf die Einhaltung der wichtigsten Vorschriften bieten wir in vielen Fällen zu günstigen Pauschalen an. Die Kosten von Abmahnungen und Wettbewerbsstreitigkeiten übertreffen dabei die Kosten einer sorgfältigen rechtlichen Begleitung und Unterstützung zur Vermeidung von Rechtsverletzungen oft bei Weitem – und dann müssen die beanstandeten Texte doch vom Fachmann berichtigt werden.

Kollisionsrecherchen: Lassen Sie prüfen, ob Ihr Produkt, Ihr Angebot oder Ihre Werbung Rechte Dritter verletzen. Eine kurze Recherche, beispielsweise nach etwaig entgegenstehenden Marken, ist nicht kostspielig, kann jedoch hohe Kosten vermeiden. Darüber hinaus sollten Sie über den Erwerb eigener Schutzrechte nachdenken. Wer selbst bessere ältere Rechte hat, muss die Inanspruchnahme aus jüngeren Schutzrechten nicht fürchten.

Zuverlässige Partner: Beim Einkauf gilt hinsichtlich der rechtlichen Gefahren oft das Gleiche wie in Hinblick auf die Produktsicherheit. Hinter dem billigsten Angebot lauern oft die höchsten Risiken. Insbesondere bei Herstellern im asiatischen Raum wird die Schutzrechtslage in Europa oft nicht beachtet. Wer solche rechtsverletzende Ware importiert, begeht bereits dadurch möglicherweise die Verletzung eines Patents oder einer Marke. Grenzbeschlagnahme und Abmahnung sind dann in nicht wenigen Fällen die Folge. Sprechen Sie das Thema gewerbliche Schutzrechte daher auch bei Ihren Lieferanten an. Grundsätzlich hat auch ein Wiederverkäufer Anspruch auf Schadensersatz bzw. Gewährleistung, wenn ein Produkt fremde Rechte verletzt und der Wiederverkäufer dafür geradestehen muss. Was in der Theorie klar und selbstverständlich ist, erweist sich in der Praxis oft als ausgesprochen schwierig. Die Durchsetzung von Regressansprüchen in China ist beispielsweise insbesondere für kleinere Anbieter praktisch so gut wie unmöglich.

Richtige Verträge: Wenn Sie Software, Lizenzen, Internetseiten oder Produkte von Dritten beziehen, achten Sie auch auf die richtige Gestaltung der eingeräumten Rechte und eine klare Verantwortlichkeit. Damit werden für spätere Schwierigkeiten viele Fragen geklärt, die sonst mühsam „ausgestritten“ werden müssen.

Professionelle Geschäftsgestaltung: Halten Sie Ordnung in Ihren Angeboten und Texten. Wer Geschäftsprozesse organisiert und bündelt und die Übersicht über seine Angebote, Werbung und das sonstige Auftreten des Unternehmens bewahrt, geht geringere Risiken ein und hat auch im Ernstfall die besseren Karten. Werbemittel, Texte und die Gestaltung der Geschäftsprozesse sollten in regelmäßigen Umständen auch rechtlich überprüft werden, damit Gesetzesänderungen berücksichtigt werden. Mitarbeiter sollten mit klaren Anweisungen und standardisierten und sachkundig geprüften Materialien ausgestattet werden. Beispielsweise kann so vermieden werden, dass mehrere Fassungen einer Widerrufsbelehrung verwendet und damit Unterlassungs- oder gar Vertragsstrafenansprüche verursacht werden.

Ansprechpartner: In einer durch das Recht mitbestimmmten Umgebung sollte der Unternehmer einen Ansprechpartner für Rechtsfragen haben. Ein beständiger und spezialisierter Ratgeber sollte für die Begleitung des der Aufbaus und der Ausbaus der Geschäftsaktivität da sein. So selbstverständlich wie der Steuerberater sollte auch der Berater in Fragen des Wettbewerbsrechts und des geistigen Eigentums sein, damit Sie sich auf das konzentrieren können, was Ihnen am Herzen liegt: Ihren Geschäftserfolg – ohne böse Überraschungen.

Wer die vorstehenden Ratschläge befolgt, kann mit großer Wahrscheinlichkeit Abmahnungen und Rechtsverletzungen oder zumindest kostspielige Fehlentscheidungen vermeiden.

Sie haben eine Abmahnung erhalten und möchten sich wehren oder wissen, was nun zu tun ist? BBS ist Ihr Partner in allen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes und des geistigen Eigentums. Wenn Sie sicher gehen oder bei Streitigkeiten Ihre Optionen kennen wollen, sprechen Sie uns an. Wir sind gerne für Sie da – kompetent, schnell, direkt und nicht nur in Hamburg.

Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz: Becher im Eimer

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Wettbewerbsrechtlicher Schutz für Produktdesigns?

Wer seine Gestaltungen nicht durch gewerbliche Schutzrechte sichert, hat bei der Plagiaten und Raubkopien oft das Nachsehen. Es gilt nämlich der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit. Wenn ein Produktdesign nicht durch Geschmacksmuster, Patente oder Gebrauchsmuster einem Sonderschutz unterliegt, ist die Übernahme des Designs nur in ganz besonderen Fällen unlauter und kann dann über das Wettbewerbsrecht untersagt werden. Nach § 4 Nr. 9 UWG ist das dann der Fall, wenn eine Herkunftstäuschung über den betrieblichen Ursprung einer Ware oder Dienstleistung durch die Nachahmung verursacht wird oder wenn ein nachgewiesenermaßen guter Ruf des Produkts ausgenutzt wird.

In der Praxis erweist sich dieser so genannte „ergänzende wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz“ oftmals als trügerische Hoffnung.

Schutzvoraussetzungen schwer zu erfüllen

Ein gutes Beispiel dafür gibt eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 29.10.2010 AZ: 6 U 119/10)

Ein Hersteller von Joghurtbechern sah sich durch das Angebot einer seiner Becherserie sehr ähnlichen Produktlinie eines Konkurrenten in seinem Recht verletzt. Hier die Becher des Anstoßes im Vergleich:

Gestützt auf den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz erwirkte der Hersteller vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Herstellung und des Angebots der Nachahmung. Das Oberlandesgericht Köln hob diese einstweilige Verfügung jedoch wieder auf.

Nach Ansicht des Gerichts verfügte das Becherprogramm zwar über die erforderliche wettbewerbliche Eigenart. Damit ist gemeint, dass es sich von den Konkurrenzprodukten hinreichend unterscheidet und sich die Gestaltung dadurch eignet, auf ein bestimmtes Unternehmen als Hersteller des Produkts hinzuweisen.

Eine solche Eigenart besteht jedoch dann nicht, wenn die Merkmale, die den Unterschied zum Wettbewerb begründen, technisch notwendig sind. Die Übernahme solcher technisch notwendiger Merkmale ist zulässig, wenn hierfür kein Sonderrechtsschutzes, beispielsweise durch ein Patent, besteht.

Das Oberlandesgericht Köln meinte zwar, dass die wesentlichen Gestaltungsmerkmale der  Joghurtbecher im konkreten Fall nicht technisch notwendig waren. Es verneinte dann aber eine für ein wettbewerbsrechtliches Verbot erforderliche Irreführungsgefahr. Hersteller von Joghurtbechern böten ihre Produkte nämlich nicht Endverbrauchern, sondern den Einkäufern milchverarbeitender Unternehmen an. Diese Einkäufer würden sich jedoch nicht durch ein Produktdesign über die betriebliche Herkunft täuschen lassen.

Bereits eine im Becherboden eingestanzte Buchstabenkombination reichte für das Gericht in dem beurteilten Sachverhalt aus, um die Täuschungsgefahr gänzlich zu beseitigen.

Auch für eine wettbewerbswidrige Rufausbeutung sah das Gericht keine Anhaltspunkte. Es hob daher die einstweilige Verfügung auf. Die Kosten des Rechtsstreits hat dementsprechend die sich irrig in ihren Rechten verletzt fühlende Herstellerin zu tragen.

„Copyright“ als Irrtum

Das Urteil des Oberlandesgerichts zeigt die besonderen Schwierigkeiten auf, ein Produktdesign ohne entsprechende Schutzrechte zu verteidigen. So erfordert beispielsweise der Nachweis einer besonderen Wertschätzung des Designs zumindest das Erringen von Designpreisen. Andernfalls muss die Wertschätzung durch in der Regel sehr kostspielige repräsentative Befragungen der potentiellen Abnehmer nachgewiesen werden. Die Kosten eines solchen Verkehrsgutachtens bewegen sich oft im deutlich fünfstelligen Bereich.

Auch das Urheberrecht begründet insbesondere im Bereich des Produktdesigns selten Unterlassungsansprüche. Gegenstände des täglichen Gebrauchs verfügen in der Regel nicht über die für ein Urheberrecht notwendige Schöpfungshöhe. Die oft bei Nachahmungen ins Feld geführten Hinweise auf ein vermeintliches Copyright beruhen daher zumeist auf einem Irrtum.

Schutzrechte helfen – oft günstiger als gedacht

Hersteller und Designer von daher gut daran, über den Erwerb von Schutzrechten an ihren Schöpfungen nachzudenken. Ist ein Produkt erst einmal über mehr als ein Jahr auf dem Markt, kann beispielsweise ein eingetragenes Geschmacksmuster mangels Neuheit nicht mehr rechtsbeständig erworben werden. Dabei ist der Erwerb von Schutzrechten nicht einmal mit hohen Kosten verbunden. Beispielsweise betragen die Amtsgebühren für die Anmeldung eines Sammel-Geschmacksmusters mit bis zu zehn Schutzobjekten in Deutschland nur Euro 70.

Sie möchten Ihre Produkte vor Nachahmern und Plagiatoren schützen? Sie möchten wissen, ob Ihr geplantes Design fremder Rechte verletzt? BBS ist Ihr Ansprechpartner für alle Fragen zum Schutz von Gestaltungen und Produktentwicklungen. Sprechen Sie uns an.

Markenrecht: keine Gnade für den Goldhasen

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Warenform als Marke

Seit der Einführung des Markengesetzes  können beliebige Zeichen Markenschutz erlangen. Auch  dreidimensionale Gestaltungen, die die Form einer Ware wiedergeben,  können als Marke eingetragen werden (sog. „Formmarke“). Soweit die  Theorie.

In der Praxis ist Markenschutz für Warenformen nur sehr schwer  zu erlangen. Größte Hürde ist die Anforderung an die  Unterscheidungskraft des Zeichens. Das Zeichen muss geeignet sein, als  Marke verwendet zu werden, also die Waren und/oder Dienstleistungen  eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Schwierig in der Praxis: Unterscheidungskraft der Marke

Ein eindrucksvolles Beispiel, wie schwer es die Formmarke noch immer hat, lieferte vor wenigen Wochen das europäische Gericht erster  Instanz (Urteil vom 17. Dezember 2010; AZ:  T-336/08).

Die Anmelderin wollte das nachstehend wiedergegebene Zeichen als Marke  für Schokolade und Schokoladenwaren eintragen lassen:

Marke Goldhase

Der als Marke zurückgewiesene Goldhase

Bereits das  Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (zuständig für die Eintragung von  Gemeinschaftsmarken) verweigerte die Eintragung der Marke. Auch das  hiernach angerufene europäische Gericht erster Instanz wollte das  Häschen lieber in der Grube als eingetragen im Markenregister sehen.

Nach Einschätzung des Gerichts kaufen die angesprochenen Verbraucher  Schokoladenwaren ohne besondere Aufmerksamkeit für die Verpackung. Im  Bereich der Schokoladenerzeugnisse seien den Verbrauchern eine Vielzahl  unterschiedlicher Hasenformen bekannt, welche auch in goldener  Umverpackung daherkämen, ohne dass darin in der Regel einen Hinweis auf  ein bestimmtes Unternehmen zu sehen sei. Gleiches gelte für das mit  einem Glöckchen versehene Band. Das Gericht betonte nochmals, dass der  Durchschnittsverbraucher in der Form einer Ware oder in der Gestaltung  der Verpackung in der Regel nicht einen Hinweis auf ein bestimmtes  Unternehmen erkenne. Genau ein solcher Herkunftshinweis muss aber möglich sein, damit einer Marke  die erforderliche Unterscheidungskraft zukommt.

Die Entscheidung reiht sich in eine ganze Reihe ähnlich lautender  Beschlüsse und Urteile ein. Insbesondere im Lebensmittelbereich  versuchen Hersteller, die Form und/oder Verpackung ihrer Ware durch den  Markenschutz zu monopolisieren. Gerade in diesem Bereich ist dies jedoch auch  besonders schwierig. Nach Einschätzung der Markenämter und der Gerichte  sind den Verbrauchern insbesondere bei Lebensmitteln in der heutigen  Zeit zahlreiche fantasievolle und höchst unterschiedliche Formgebungen  bekannt, die in der Regel daher auch keinen Herkunftshinweis darstellen.

Für umfassenden Schutz: Schutzrechtskombinationen

Wer nicht nur sein Unternehmen, sondern auch die Aufmachung und  Formgebung seiner Erzeugnisse weitmöglichst vor der Nachahmung durch  Dritte schützen möchte, sollte daher besonderen Wert auf eine umfassende  Strategie legen. Mit der Anmeldung einer Marke ist es hier selten  getan. Selbst wenn eine solche Marke zuerkannt wird, kann eine Schwäche  im Bereich der Unterscheidungskraft vor Gericht zu unliebsamen und  teuren Überraschungen führen. Vorteilhafter ist oft die Kombination verschiedener Schutzrechte für unterschiedliche Aspekte von Design, Corporate Identity und Gestaltungsstandards. Wir beraten Sie gerne, wie Sie mit einer  Kombination unterschiedlicher Schutzrechte unter Berücksichtigung von  Kosten und Aufwand ein maßgeschneidertes Schutzkonzept für ihre Produkte  und Leistungen verwirklichen können – und dies oftmals zu sehr überschaubaren Kosten. Dabei gilt: ein deutsches Gemschacksmuster kann man bereits ab 70 Euro Amtsgebüren erhalten, eine Marke ab € 300. Die Rechtsverteidigung ohne Schutzrechte ist hingegen durchaus riskant und hat in vielen Fällen nur geringe Erfolgsaussichten. Normalerweise gilt der Grundsatz der sog. „Nachahmungsfreiheit“: was nicht unter dem Schutz gewerblicher Schutzrechte oder des Urheberrechts steht, kann kopiert werden, wenn nicht besondere Umstände vorliegen (z.B. die Gestaltung ist nachweislich bekannt, was ggf. durch teure Gutachten darzulegen ist). Wenn Plagiate vorliegen, ist es darüber hinaus für Schutzrechtsanmeldungen in vielen Fällen zu spät. Wer sein Geschäft vorauschauend plant, sollte sich hier keine offenen Flanken leisten.