Unwirksame Abgeltungsklauseln für Arbeitnehmererfindungen – Was müssen Arbeitnehmer tun, um Ansprüche zu sichern?

Viele Arbeitsverträge enthalten unwirksame Abgeltungsklauseln für Arbeitnehmererfindungen. Besonders häufig tauchen unwirksame Klauseln in Arbeitsverträgen mit Konzernen auf, die ihren Hauptsitz im Ausland, insbesondere den USA haben. In den Vereinigten Staaten und u.a. in der Schweiz gelten – anders als in Deutschland – sämtliche Diensterfindungen bereits mit der „normalen“ Arbeitsvergütung als abgegolten. Unter Diensterfindungen versteht man Erfindungen, die im Gegensatz zu den sog. freien Erfindungen, unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis entstehen, die der Arbeitnehmer also bspw. in Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten macht. In der Praxis verwenden die deutschen Tochtergesellschaften oftmals entsprechende Klauseln auch gegenüber ihren deutschen Arbeitnehmern, mit der Folge, dass sich nach deutschem Recht unwirksame Abgeltungsklauseln in den Arbeitsverträgen befinden. Eine entsprechende arbeitsvertragliche Klausel könnte dabei wie folgt lauten:

„Der Mitarbeiter überträgt dem Arbeitgeber das unbeschränkte Nutzungsrecht- und Verwertungsrecht für alle schutzfähigen oder sonstigen Arbeitsergebnisse, die der Mitarbeiter während der Dauer seinen Anstellungsverhältnisses (…) erstellt. Die Übertragung der Nutzungs- und Verwertungsrechte ist vollumfänglich mit der in diesem Anstellungsvertrag geregelten Vergütung abgegolten. (…)“

In der Praxis stellt sich sodann immer wieder die Frage, ob der Arbeitnehmer Vergütungsansprüche für die von ihm gemachten Erfindungen noch geltend machen kann und wann diese Ansprüche verjähren. Diese praxisrelevante Frage soll nachstehend einmal näher beleuchtet werden.

I. Einleitung

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Arbeitnehmererfindungsrecht: BBS ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber strategischer Ansprechpartner
© panthermedia.net / Michael Steigele

Grundsätzlich steht dem Arbeitnehmer nach dem deutschen Recht ein über das Arbeitsentgelt hinausgehender Zahlungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber für die von ihm gemachten und durch den Arbeitgeber genutzten Erfindungen zu. Die maßgebliche Anspruchsgrundlage findet sich in § 9 Abs. 1 des Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG):

(1) Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Diensterfindung in Anspruch genommen hat.

(2) ….

Eine Abweichung von der Vorschrift zu ungunsten des Arbeitnehmers ist nach § 22 S. 1 ArbnErfG unzulässig und eine entsprechende vertragliche Klausel wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, § 134 BGB.

Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsvertrages in der Regel eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber scheut oder schlicht keine Kenntnis vom Bestehen entsprechender Ansprüche hat, wird die Frage nach der Durchsetzung von Ansprüchen oft erst Jahre nach der eigentlichen Erfindung praktisch relevant. Im Rahmen der anwaltlichen Beratung stellt sich neben der Frage nach der Verjährung auch die Frage, ob bei bereits eingetretener Verjährung die Berufung auf die Verjährungseinrede erfolgreich zurückgewiesen werden kann.

II. Verjährung der Ansprüche nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz

Die Verjährung des Erfindervergütungsanspruchs richtet sich – mangels spezialgesetzlicher Regelung im ArbnErfG – nach den allgemeinen Regeln des BGB, die durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wesentliche Änderungen erfahren haben.

1) Verjährung nach altem Recht

Nach dem alten Recht unterlag der Vergütungsanspruch grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.). Etwas anderes galt nur dann, wenn der Vergütungsanspruch entsprechend § 12 ArbnErfG eine Konkretisierung erfahren hat. In diesem Fall lief nach §§ 196 Abs. 1 Nr. 8, 9 BGB a.F. die kurze Verjährungsfrist von 2 Jahren. Die Frist begann nach § 198 BGB a.F. mit Entstehung des Anspruchs.

2) Verjährung nach neuem Recht

Nach dem neuen Recht gilt grundsätzlich eine regelmäßige (kurze) Verjährungsfrist von 3 Jahren. Die regelmäßige Verjährung nach § 195 BGB erfasst nunmehr sämtliche Vergütungsansprüche, unabhängig davon, ob sie auf beschränkter oder unbeschränkter Inanspruchnahme nach §§ 9, 10 ArbnErfG, auf vertraglicher Überleitung beruhen oder der Vergütungsanspruch vereinbart oder einseitig festgesetzt wurde, § 12 ArbnErfG.

Für den Verjährungsbeginn kommt es in Abkehrung zum alten Verjährungsrecht neben der Entstehung des Anspruchs jetzt auch darauf an, dass der Gläubiger von den „anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen“. Es handelt sich insoweit um eine relative bzw. weiche Frist, die um das subjektive Element der Kenntnis erweitert wurde. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Schuldnerschutzes hat der Gesetzgeber in § 199 Abs. 4 BGB zudem eine kenntnisunabhängige Höchstfrist von 10 Jahren nach Entstehung des Anspruchs eingeführt. Im Ergebnis haben die Verjährungsfristen damit eine starke Verkürzung zu Lasten des Gläubigers erfahren.

3) Verhältnis von altem zu neuem Verjährungsrecht

Das Verhältnis von altem zu neuem Verjährungsrecht richtet sich für alle Ansprüche die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelungen am 01.01.2002 bereits entstanden und noch nicht verjährt waren, nach dem in Art. 229 § 6 EGBGB für den Schuldner enthaltenen „Günstigkeitsprinzip“. Danach setzt sich bei Fristabweichungen zwischen altem und neuem Recht stets die kürzere Frist durch (MünchKomm-Grothe, BGB, 5. Aufl. 2010, § 6 EGBGB Rn. 9, 12.). Insoweit sind für alle nach dem Jahr 1982 gemachten Erfindungen wegen der nach neuem Recht geltenden Höchstfrist von 10 Jahren jeweils die Verjährungsfristen nach dem neuen Recht maßgeblich. Die Ausführungen konzentrieren sich daher auf die nach dem neuen Recht geltenden Verjährungsvorschriften.

III. Die maßgeblichen Kriterien für die Verjährung im Einzelfall

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt der Lauf der Verjährung „mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (1) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (2)“. Zu untersuchen ist zunächst der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs.

1) Entstehung des Anspruchs, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB

Der Zeitpunkt des Entstehens des Anspruchs ist gleichbedeutend mit der Fälligkeit des zugrunde liegenden Vergütungsanspruchs (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 40.2.). Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs richtet sich – mangels einer getroffenen Vergütungsvereinbarung (i.S.d. § 12 ArbnErfG) – nach der allgemeinen Regel des § 271 BGB. Demnach ist der Anspruch fällig, sobald der Arbeitnehmer als Gläubiger vom Arbeitgeber die Erfindungsvergütung verlangen kann. Dies ist der Fall, wenn die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Erfindung beim Arbeitgeber feststeht. Dafür müssen zum einen die für die Bemessung der Vergütungshöhe entscheidenden Kriterien bekannt sein und zum anderen müssen die wirtschaftlichen Vorteile aus der Erfindung dem Arbeitgeber tatsächlich (schon) zufließen (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 20, § 12 Rn. 55). Dies ist in der Regel erst mit der Aufnahme von tatsächlichen Benutzungshandlungen der Fall (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 12).

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs daher unabhängig vom Lauf des Erteilungsverfahrens mit dem meist ungewissen Zeitpunkt der Patenterteilung (BGH v. 28,06.1962, GRUR 1963, 135 ff. – Cromregal; BGH v. 30.03.1971, GRUR 1971, 477; Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 21, § 12 Rn. 60). Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt der konkreten Nutzungsaufnahme durch den Arbeitgeber. Nutzt der Arbeitgeber die Erfindung bereits vor Erteilung des Schutzrechts, ist der Vergütungsanspruch spätestens 3 Monate nach Aufnahme der Benutzung fällig (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, Einl. §§ 9-12 Rn. 7 m.w.N.). Soweit eine Benutzung nicht erfolgt sieht § 12 Abs. 3 S. 2 ArbnErfG einen festen Endtermin vor, der auch die Fälligkeit bestimmt. Dieser liegt 3 Monate nach endgültiger Schutzrechtserteilung (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 21, § 12 Rn. 56).

Folglich beginnt die Verjährung entweder 3 Monate nach Beginn der konkreten Nutzung oder 3 Monate nach Erteilung des Schutzrechts, was regelmäßig bei den strategischen Patenten (Sperr- oder Vorratspatenten) der Fall sein dürfte.

a) Umfang der Fälligkeit

Davon zu unterscheiden ist die Frage danach, in welchem Umfang der Vergütungsanspruch fällig wird. Dies richtet sich ebenfalls nach § 271 BGB. Im Fall der regelmäßig fehlenden Vergütungsregel, umfasst die 3 Monate nach Benutzungsaufnahme eintretende Fälligkeit auch die Vergütung für die bis dahin erfolgten Nutzungshandlungen (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 24). Gleiches muss für die Fälligkeit 3 Monate nach Schutzrechtserteilung gelten.

Da die Vergütung nur in dem Umfang fällig wird, wie auch der Arbeitgeber vergütungspflichtig ist, tritt die Fälligkeit der weiteren (zukünftigen) Vergütungsansprüche erst mit der tatsächlichen Verwertung und dem tatsächlichen Zufluss des wirtschaftlichen Nutzens aus der Diensterfindung beim Arbeitgeber ein. Der Arbeitnehmer kann die Vergütung nicht sofort mit der Erfindungsverwertung verlangen, sondern erst wenn der wirtschaftliche Nutzen der Erfindung tatsächlich feststeht; bei laufender Verwertung im Regelfall nach dem Ablauf eines jeden Geschäftsjahres (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 24, 55.1). Die Vergütung wird zweckmäßiger Weise nachkalkulatorisch errechnet (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 55). Vergütungsansprüche für eine laufende Verwertung sind daher nach Ablauf des jeweiligen Geschäftsjahres fällig.

b) Zwischenergebnis

Die Verjährung der Vergütungsansprüche vollzieht sich somit in zwei Stufen. Der Vergütungsanspruch für die bis 3 Monate nach der Benutzungsaufnahme bzw. Schutzrechtserteilung erfolgten Nutzungshandlungen verjährt in 3 bzw. 10 Jahren (die Dauer bestimmt sich im Einzelfall danach, ob die kenntnisabhängige 3-jährige oder die kenntnisunabhängige Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren eingreift) nach diesem Zeitpunkt. Für alle danach vorgenommenen Nutzungshandlungen beginnt die Verjährung sukzessive jeweils nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres.

2) Subjektives Element, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Der Beginn der 3-jährigen Verjährungsfrist setzt zudem das subjektive Element der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände sowie des Schuldners voraus.

a) Anspruchsbegründende Umstände

Worauf sich die Kenntnis des Arbeitnehmers von „den anspruchsbegründenden Umständen“ beziehen muss, ist umstritten. Während Gerichte und die Literatur fordern, dass sich die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis auf die konkrete Art und den Umfang der Nutzung der Erfindung beziehen müsse, lässt die Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen beim DPMA (Zuletzt vertreten in den Einigungsvorschlägen vom 01.12.2009 – ArbErf 048/08 und vom 08.10.2009 – ArbErf 050/06) die Kenntnis des Erfinders von der „Verwertung“ der Erfindung an sich ausreichen. Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe ist im Rahmen der anwaltlichen Beratung danach zu differenzieren, ob vor Klageerhebung die Durchführung eines vorherigen Schiedsverfahrens beim DPMA erforderlich ist oder nicht. Sobald der Arbeitnehmer aus dem Betrieb des Arbeitgebers ausgeschieden ist, ist ein solches nicht mehr erforderlich (Vgl. § 37 Abs. 2 Nr. 3 ArbnErfG), sodass in diesen Fällen allein die von der Rechtsprechung festgesetzten Maßstäbe als entscheidungserheblich anzusehen sind.

Die von der Rechtsprechung festgesetzten Maßstäbe lassen sich dabei in zwei Kernthesen fassen (Trimborn in Mitt. 2011, 209, 210):

 – Der Verjährungsbeginn setzt Kenntnis von „Art und Umfang“ (Umsätze, Höhe der Lizenzeinnahmen etc.) der erfindungsgemäßen Nutzung voraus.

– Allgemeine Kenntnis einer Erfindungsnutzung bzw. der Inanspruchnahme lässt die kurze Verjährung ebenso wenig zu laufen beginnen wie die rechtliche Möglichkeit eines Auskunftsanspruchs.

Im Rahmen der anwaltlichen Beratung ist dann zu ermitteln, ob Kenntnis seitens des Arbeitnehmers vorlag oder nicht.

Ferner ist zu beurteilen, ob der Mandant grob fahrlässige Unkenntnis vom Anspruch hatte. Grobe Fahrlässigkeit setzt nach ständiger Rechtsprechung einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Der Arbeitnehmer muss ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 40.4)

In diesem Zusammenhang erlangt die Verwendung einer unwirksamen Klausel im Arbeitsvertrag Bedeutung. Soweit der Arbeitnehmer aufgrund einer solchen Klausel in irriger Weise davon ausgeht, die Arbeitsergebnisse seien vollumfänglich mit der im Vertrag geregelten Vergütung abgegolten und ihm stünde kein über die „normale“ Vergütung hinausgehender Anspruch gegen seinen Arbeitgeber zu, stellt dies keinen schwerwiegenden Sorgfaltsverstoß dar, der die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis zu begründen vermochte.

Auch die unterlassene Möglichkeit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruches begründet für sich allein keine grobe Fahrlässigkeit. Die unterlassene Rechtswahrung ist kein Merkmal der groben Fahrlässigkeit (Bartenbach/Volz, ArbnErfG, 5. Aufl. 2013, § 9 Rn. 40.4). Sofern dem Arbeitnehmer eine umfangreiche Erfindungsverwertung positiv bekannt ist, soll im Einzelfall zwar eine Obliegenheit zur Geltendmachung der Auskunft bestehen. Dies mag in anderen Fällen zutreffend sein; soweit jedoch der Arbeitgeber eine unzulässige Klausel verwendet, kann im Unterlassen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs kein Verschulden des Arbeitnehmers gegen sich selbst gesehen werden. Denn die Rechtsfigur der Obliegenheit rechtfertigt sich allein in Fällen, in denen die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens seitens des Schuldners zumindest denkbar ist. Wer eine unzulässige Klausel verwendet und dabei gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (Vgl. § 22 S. 1 ArbnErfG i.V.m. § 134 BGB), bei dem kann kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand einer Rechtsposition entstehen. 

b) Person des Schuldners

Schließlich muss dem Arbeitnehmer die Person des Schuldners bekannt sein. Da es sich beim Schuldner um den Arbeitsgeber handelt, ist diese stets gegeben.

Im Rahmen der anwaltlichen Beratung ist also in jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob das subjektive Element der Kenntnis beim Arbeitnehmer gegeben ist.

 IV) Ausschluss der Verjährungseinrede nach § 242 BGB

Soweit die Erfindungsansprüche nach den vorstehenden Erwägungen verjährt sind, insbesondere die kenntnisunabhängige Verjährungshöchfrist von 10 Jahre abgelaufen ist, stellt sich in der Praxis eine ernorm wichtige Frage: Ist es dem Arbeitgeber nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen?

Soweit der Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel im Arbeitsvertrag verwendet und der Arbeitnehmer infolgedessen einem Irrtum über das Bestehen seiner Ansprüche unterliegt, könnte die Berufung auf eine bereits eingetretene Verjährung rechtsmissbräuchlich sein. Der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit wäre im Prozess vom Arbeitnehmer zu erheben und hat unter folgenden Voraussetzungen Erfolg.

Die Erhebung der Verjährungseinrede ist immer dann als unzulässige Rechtsausübung zu qualifizieren, wenn der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten von der Erhebung der Klage abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein. Ersteres ist bei der Verwendung einer unzulässigen Abgeltungsklausel in Arbeitverträgen der Fall. Zwar ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein strenger Maßstab an die Annahme zu stellen, der vom Schuldner erhobene Verjährungseinwand verstoße gegen Treu und Glauben und stelle mit Blick auf ein vorangegangenes Verhalten eine unzulässige Rechtsausübung dar (vgl. BGH, NJW 1988, 2245, 2247; BAG, NZA-RR 2008, 399, 400). Jedoch setzt sich der Arbeitgeber in einen eklatanten Widerspruch zu seinem eigenen (Vor-)verhalten, wenn er zunächst den Gläubiger zur Untätigkeit veranlasst und später aus der Untätigkeit einen Vorteil herleiten will, indem er sich auf Verjährung beruft. Wer durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen einen ihm günstigen Irrtum beim Gläubiger erregt und hieraus einen Vorteil zieht, handelt widersprüchlich (vgl. BAG, NZA-RR 2008, 399, 400).

Durch die Verwendung einer unzulässigen Abgeltungsklausel erregt der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer durch ein positives Tun einen Irrtum darüber, dass ihm für seine Diensterfindungen keine über das Arbeitsentgelt hinausgehende Ansprüche gegen denselben zustünden und hält ihn dadurch von der Geltendmachung der in Wahrheit bestehenden Ansprüchen und schlussendlich auch von der Erhebung einer Zahlungsklage ab. Soweit der Arbeitnehmer vor diesem Hintergrund einem Rechtsirrtum unterliegt, besteht kein Bedürfnis dem Schuldner den Schutz der Verjährungseinrede zu gewähren. Demjenigen, der er sich selbst einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben vorwerfen lassen muss, dem muss die Einrede der Verjährung verwehrt sein.

Schließlich ist dem Arbeitnehmer in der Regel auch ein kein eigenes Verschulden, das bei der im Rahmen des § 242 BGB erforderlicher Abwägung aller Umstände ins Gewicht fiele, anzulasten. Denn der Arbeitnehmer ist – ohne konkrete Anhaltspunkte – nicht gehalten Nachforschungen über die Wirksamkeit arbeitvertragliche Vereinbarungen anzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Arbeitgeber als mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar und ein entsprechender Einwand seitens Arbeitnehmers erfolgsversprechend.

V. Fazit

Die nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz bestehenden Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers für Erfindungen verjähren – nach dem regelmäßig maßgeblichen „neuen“ Verjährungsrecht – 3 Jahre nach Kenntnis, spätestens jedoch 10 Jahre nach der Arbeitnehmererfindung. Soweit die Ansprüche danach bereits verjährt sind und der Arbeitsvertrag eine unzulässige Abgeltungsklausel enthält, kann der Verjährungseinrede des Arbeitgebers in der Regel der Einwand unzulässiger Rechtsausübung erfolgreich entgegengehalten werden.

Darum ist es jedem Arbeitnehmer anzuraten die rechtliche Wirksamkeit von Arbeitnehmererfindungsklauseln anwaltlich überprüfen zu lassen und gegebenenfalls geeignete Schritte einzuleiten, um seine berechtigten Vergütungsansprüche durchzusetzen.

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Lina Joana Hantelmann, Rechtsreferendarin BBS-Rechtsanwälte

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