Besichtigung von Software-Quellcode: keine zu hohen Anforderungen

Urheberrecht: Besichtigung von Software-Quellcode

Der Quellcode (Sourcecode) von Software spielt bei Streitigkeiten um die Verletzung von Urheberrechten an Software eine entscheidende Rolle. Software ist gemäß § 69a des Urheberrechtsgesetzes als Werk im Sinne des Urheberrechts grundsätzlich schutzfähig. Gegenstand des Schutzes sind dabei nicht die Algorithmen als technische Lehre oder die einem Programmablauf/einer Programmfunktion zu Grunde liegende Idee. Vielmehr betrifft das Urheberrecht die im Quellcode verkörperte Programmierleistung. Eine Urheberrechtsverletzung liegt also dann vor, wenn urheberrechtlich schutzfähige Anteile des Quellcodes übernommen werden. Da der Quellcode die wichtigsten Informationen betreffend eine Software und deren Entwicklung enthält, wollen die meisten Software-Anbieter (abgesehen von Open-Source-Entwicklern), die Programmquellen verschlossen und geheim halten. Damit ist es jedoch auch schwierig, eine Urheberrechtsverletzung nachzuweisen.

Der Urheber an einer Software kann jedoch einen so genannten Besichtigungsanspruch geltend machen. In diesem Fall ordnet das Gericht die Besichtigung des Quellcodes einer Software an, wenn hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass diese Software unter Verletzung von Urheberrechten bereitgestellt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der mutmaßlich verletzte Urheber ausreichende Anhaltspunkte liefert. Es muss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Urheberrechtsverletzung gegeben sein. Nicht erforderlich ist, dass der Anspruchsteller beweist, dass tatsächlich eine Verletzung seiner Urheberrechte vorliegt. Denn die Besichtigung des Quellcodes soll dafür erst die notwendigen Beweise liefern, wenn eine Beweisführung auf andere Art und Weise nicht möglich ist. Hierbei hat das Gericht gegebenenfalls auch alle notwendigen Anordnungen zu treffen, um die Geschäftsgeheimnisse oder Betriebsgeheimnisse des Softwareanbieters zu schützen, dem unterstellt wird, dass seine Software Urheberrechte verletzt.

BGH zum Besichtigungsanspruch

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Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Frage der Voraussetzungen und Grundlagen des Besichtigungsanspruchs, der von der Rechtsprechung auf § 809 BGB gestützt wird, hat der Bundesgerichtshof in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 20. September 2012; Aktenzeichen:I ZR 90/09) geleistet:

Das Oberlandesgericht München hatte einen Antrag auf Anordnung der Besichtigung eines Computerprogramms mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem Programm mit größter Wahrscheinlichkeit nicht um ein urheberrechtsfähiges Werk handelt und dass darüber hinaus eine Urheberrechtsverletzung nur einen Teil des Programms betreffen könnte. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des OLG auf.

Komplexe Software: Urheberrechtsfähigkeit wird vermutet

Jenes habe, so der Bundesgerichtshof, die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers im Rahmen eines Rechtsstreits um die Besichtigung von Software-Quellcode überspannt. Bei komplexen Computerprogrammen spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich um urheberrechtsfähige Werke handele. Schutzlos sei nur eine Programmierleistungen, die einfach und routinemäßig zu beurteilen sei und welche jeder Programmierer auf dieselbe oder ähnliche Weise erbringen würde. Bei einer umfangreichen Software müsse jedoch nicht der Anspruchsteller die Schutzfähigkeit seines Werks beweisen, sondern der Anspruchsgegner, dass es sich ausnahmsweise auch bei einer komplexen Software um eine banale Routineleistung handle.

Besichtigungsanspruch auch bei Rechtsverletzung durch Einzelkomponenten

Darüber hinaus habe das Gericht auch zu Unrecht dem Besichtigungsanspruch mit der Begründung verneint, dass im in Rede stehenden Fall nicht das gesamte Computerprogramm, sondern lediglich einzelne Komponenten übernommen wurde.

Keine überspannten Anforderungen durch Gericht

Der Gesetzgeber habe bei der Einführung des § 69a UrhG die europäische Richtlinie 91/250/EWG vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen umgesetzt. Diese Richtlinie habe einen effektiven Schutz von Software zu Gunsten der jeweiligen Programmierer bezweckt. Die effektive Umsetzung dieses Schutzes dürfe nicht durch überzogene Anforderungen der Rechtsprechung unzumutbar erschwert werden. Es sei an der Tagesordnung, dass Programme aus zahlreichen Komponenten bestehen, welche auch hinsichtlich ihrer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit unterschiedlich zu beurteilen sein könnten. Wäre der Kläger schon für den Besichtigungsanspruch gehalten, im Einzelnen darzulegen, worin seine individuelle Leistung genau liegt und dass es gerade diese Leistung ist, die sich in der angegriffenen Ausführungsform wiederfindet, wäre er praktisch schutzlos gestellt. Er könnte die vermutete Urheberrechtsverletzung nicht darlegen, da ihm der Zugriff auf den Quellcode ohne eine entsprechende gerichtliche Entscheidung nicht möglich sei.

Softwarerecht: Streitigkeiten oft anspruchsvoll

Streitigkeiten um Software sind häufig, jedoch auch eine der komplexesten Materien des Urheberrechts. Die Gerichte müssen bei Entscheidungen betreffend Besichtigungsansprüche einen Ausgleich zwischen der vom Gesetzgeber gewünschten Stärkung der Rechte des Urhebers und den Geheimhaltungsinteressen des Beklagten herstellen. Der den Urheber vertretende Rechtsanwalt muss daher bereits bei der Formulierung der Anträge darauf achten, dass die beantragte Besichtigung auch in ihrer Art und Weise umgesetzt werden kann.

Software: ergänzender Patentschutz sinnvoll

Darüber hinaus lässt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nochmals erkennen, welche Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Software zu stellen sind. Durch den vielfach verwendeten Copyright-Hinweis als solchen wird kein urheberrechtlicher Schutz begründet. Vielmehr muss es sich bei der Programmierleistung um eine persönlich-geistige Schöpfung handeln. Darüber hinaus umfasst der urheberrechtliche Anspruch nur das Programm in seiner konkreten Ausgestaltung. Die Übernahme von Ideen und Programmfunktionen ohne Übernahme des Quellcodes kann oftmals ohne das Risiko einer Urheberrechtsverletzung bewerkstelligt werden. Unternehmen sind hier gut beraten, den urheberrechtlichen Schutz gegebenenfalls um ein Patent zu erweitern.

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