Arbeitnehmererfindungsgesetz: Sicherung und Schutz von Erfindungen und technischem Know-how im Unternehmen
Arbeitnehmererfindungsgesetz: Chance und Risiko für Arbeitnehmer und Arbeitgeber! Technische Erfindungen entstehen nur selten im rein privaten Bereich. In den überwiegenden Fällen entstehen Erfindungen in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen eines Unternehmens durch angestellte Mitarbeiter. Letztere handeln zwar im Auftrag des Unternehmens, die von ihnen geschaffenen sog. Arbeitnehmererfindungen stehen aber nach dem „Erfinderprinzip“ des Patentrechts (vergleichbar mit dem „Schöpfungsprinzip“ des Urheberrechts) zunächst ihnen selbst als Person zu. Demgegenüber hat das Unternehmen, das die Forschungsmöglichkeiten in derartigen Fällen überhaupt erst schafft und den Arbeitnehmer gerade zur Entwicklung neuartiger technischer Lösungen und Verbesserungen innerhalb seines wirtschaflichen Betätigungsfeldes beschäftigt, naturgemäß ein vitales eigenes Interesse an der rechtlichen Sicherung (zu den grundlegenden Fragen des Erfindungsschutzes und der Anmeldung von Patenten und Gebrauchsmustern vgl. unseren diesbezüglichen Basisartikel) und der Verwertung von Erfindungen, die aus dem Arbeitskontext heraus entstehen. Der Arbeitgeber muss hierzu das Recht auf die Erfindung vom Arbeitnehmer erwerben. Dieses Interesse ist aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz, dass sämtliche im Arbeitsverhältnis geschaffenen Arbeitsergebnisse dem Arbeitgeber gehören sollen, grundsätzlich auch als berechtigtes Interesse anerkannt.
Arbeitnehmererfindungsgesetz – Arbeitnehmererfindungsrecht
Das „Gesetz über Arbeitnehmererfindungen“ (auch als “ Arbeitnehmererfindungsgesetz“ oder „Arbeitnehmererfindungsrecht“ bezeichnet, abgekürzt: „ArbnErfG“ oder „ArbEG“) schafft hier einen Interessensausgleich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Es schafft einerseits Möglichkeiten eines Rechterwerbs für den Arbeitgeber und definiert andererseits Grundlagen für eine angemessene Vergütung des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmererfindungsgesetzes sind Arbeitnehmer im privaten und im öffentlichen Dienst sowie Beamte und Soldaten. Nicht unter den Begriff des Arbeitnehmers fallen die Gesellschafter des Unternehmens und – gerade im Bereich der Softwareentwicklung häufig hinzugezogene – freie Entwickler („Freelancer“). Für solche externen Mitarbeiter eines Unternehmens gilt das Arbnehmererfindungsrecht nicht. Mit Ihnen können und müssen rechtzeitig gesonderte vertragliche Regelungen getroffen werden um eine spätere Verwertung von Erfindungen zu sichern. Gleiches gilt, wenn externe Firmen mit der Entwicklung einer Lösung für ein technisches Problem beauftragt werden oder bei Kooperationen mit Forschungseinrichtungen von Universitäten und Hochschulen.
Das Arbnehmererfindungsgesetz wurde durch den Bundestag am 28. Mai 2009 mit dem Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts („Patentrechtsmodernisierungsgesetz“) in bedeutenden Punkten geändert, wobei die Rechtsänderungen mit Wirkung zum 1. Oktober 2009 in Kraft getreten sind.
Die Arbeitnehmererfindung: Inanspruchnahme nur von „Diensterfindungen“, nicht von „freien Erfindungen“
Auch nach den Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes erwirbt der Arbeitgeber nicht das Recht, schlechthin jede Erfindung, die ein Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses macht, zu erwerben und für sich zu verwerten. Möglich ist dies nur bei Erfindungen, die im Wesentlichen auf das Arbeitsverhältnis zurückzuführen sind: So genannte „Diensterfindungen“. Alle anderen Erfindungen, die allein auf das private Engagement des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, werden als „freie Erfindungen“ qualifiziert und stehen allein dem Arbeitnehmer zu. Die richtige Einordnung kann im Einzelfall schwierig sein. Dem Arbeitnehmer obliegt zunächst die Pflicht, seinem Arbeitgeber eine als Diensterfindung einzuordnende Erfindung mit einer sog. „Erfindungsmeldung“ zur Kenntnis zu bringen („Meldepflicht“, § 5 ArbnErfG). Geht er fälschlicherweise davon aus, dass es sich um eine freie Erfindung handelt, ist er dem Arbeitgeber ggf. zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die aus dem Unterlassen der Meldung entstehen. Ihm obliegt insoweit also ein Beurteilungsrisiko. Daher sieht das Gesetz vor, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber auch solche Erfindungen, die er als freie Erfindung einordnet, zumindest mitteilen muss (Mitteilungspflicht, § 18 ArbErfG). Damit löst er eine Prüfungspflicht des Arbeitgebers aus. Dieser muss binnen 3 Monaten prüfen, ob er der Beurteilung zustimmt oder der Einordnung als freie Erfidnung ggf. widersprechen. Versäumt der Arbeitgeber dies innerhalb der dreimonatigen Frist, kann er sich nicht mehr darauf berufen, dass es sich um eine Diensterfindung handelt. Er verliert sein Recht zur Inanspruchnahme der Erfinung des Arbeitnehmers. Die Beweislast dafür, dass es sich um eine Diensterfindung handelt, obliegt im Streitfall im Übrigen dem Arbeitgeber. Der Begriff der Diensterfindung ist vom Gesetz nur ungenau definiert: Diensterfindungen sind während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindungen, die entweder aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung beruhen.
Die Rechte an einer Diensterfindung nach dem ArbErfG
Die alte Rechtslage
Nach bisherigem Recht war die Übertragung des Rechts auf die Erfindung in einem streng förmlichen Verfahren geregelt. Der Arbeitgeber musste bei ihm bekannt gewordenen Erfindungen seiner Arbeitnehmer binnen vier Monaten ab Kenntniserlangung schriftlich erklären, dass er diese in eigenem Namen verwerten möchte („Inanspruchnahme“), wenn er diese rechtswirksam verwerten und in eigenem Namen schützen lassen wollte. Sofern für den Arbeitgeber kein Interesse an der Erfindung bestand, konnte er diese dem Arbeitnehmer selbstverständlich auch zu dessen eigener Verwertung freigeben („Freigabe der Erfindung“). Um dem Arbeitgeber diese Entscheidung zu ermöglichen, musste der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Erfindung, also die jeweilige technische Entwicklung, die patent- oder gebrauchsmusterfähig ist, zunächst schriftlich melden. Erfolgte keine formgemäße Anzeige der Erfindung durch den Arbeitnehmer, wurde diese dem Arbeitgeber aber gleichwohl bekannt, so wurde diese förmliche Erfindungsmeldung spätestens mit der Einreichung einer Patentanmeldung durch den Arbeitgeber „fingiert“. D.h., dass spätestens mit der Einreichung der Patentanmeldung durch den Arbeitgeber die viermonatige Frist für die rechtswirksame Inanspruchnahme der Erfindung in Gang gesetzt wurde. Andererseits gab es für den Arbeitgeber keine derartige Formerleichterung: Die Inanspruchnahme musste binnen der viermonatigen Frist ausdrücklich und in schriftlicher Form erfolgen. Wurde dies versäumt, wurde die Erfindung für den Arbeitnehmer frei, d.h.., dass dem Arbeitnehmer sämtliche Rechte auf die und aus der Erfindung alleine zustanden. Dies galt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber in der Zwischenzeit bereits eine Patentanmeldung für die Erfindung eingereicht hatte, oder nicht.
Reagierte der Arbeitgeber mithin auf eine Erfindungsmeldung nicht oder machte er einen Formfehler bei der Inanspruchnahme der Erfindung, hatte dies zur Folge, dass die Rechte an der Erfindung beim Arbeitnehmer verlieben, der sie nun selbst verwerten konnte. Dem Arbeitgeber bleib in diesem Fall nur noch, sich mit dem Arbeitnehmer nachträglich zu einigen ihm die Erfindung zu einem dann frei verhandelbaren Preis abzukaufen. In der Vergangenheit führte diese gesetzlich vorgesehene Folge häufig zu dramatische Ergebnissen, da für etliche, gerade mittelständische Firmen, welche die rechtzeitige bzw. formell korrekte Inanspruchnahme versäumten, die von ihnen finanzierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit wirtschaftlich verloren ging. Im schlimmsten Fall verkaufte der Erfinder gar das Patent an einen Konkurrenten aus derselben Branche.
Diese Rechtslage gilt nach wie vor bei Arbeitnehmererfindungen, die vor dem 01.10.2009 entstanden sind.
Die neue Rechtslage nach dem reformierten Arbeitnehmererfindungsgesetz
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat der Gesetzgeber mit dem neuem Recht nun im Arbeitnehmererfindungsgesetz eine Inanspruchnahmefiktion zugunsten des Arbeitgebers eingeführt: Alle Rechte an einer Arbeitnehmererfindung gehen vier Monate nach ihrer Meldung durch den Arbeitnehmer automatisch auf den Arbeitgeber über, wenn dieser die Erfindung nicht vorher freigibt. Mit dieser Neuregelung wurde die früher für den Arbeitgeber bestehende Gefahr des versehentlichen Rechtsverlustes durch Versäumung der Frist zur Inanspruchnahme gebannt. Eine weitere Erleichterung der Neuregelung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage stellt die Tatsache dar, dass nunmehr sowohl die Erfindungsmeldung als auch die (etwaige) Freigabe des Arbeitgebers künftig in Textform möglich ist, also im Gegensatz zur bisher maßgebenden strengen Schriftform auch per e-Mail oder Fax.
Schließlich ist zugunsten einer Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage die Möglichkeit für den Arbeitgeber weggefallen, die Erfindung lediglich beschränkt in Anspruch zu nehmen und nur ein einfaches innerbetriebliches Nutzungsrecht an der Erfindung zu erwerben.
Risiken der neuen Rechtslage: informieren Sie sich! Ein spezialisierter Rechtsanwalt hilft.
Auch die neue Rechtslage ist für den Arbeitgeber allerdings nicht frei von Risiken. Als spezialisierte Kanzlei unterstützen wir Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Hamburg und bundesweit. Nach dem neuen Arbeitnehmererfindungsgesetz läuft der Arbeitgeber nicht mehr wie früher Gefahr, Rechte auf eine innerbetriebliche Erfindung zu verlieren, wenn er nicht oder nicht formal richtig auf eine Erfindungsmeldung reagiert. Dafür trägt er künftig das Risiko, auf Grund der Inanspruchnahmefiktion Rechte an einer Erfindung zu erhalten, an der er möglicherweise überhaupt kein Interesse hat. Die nun „automatisch“ kraft Gesetz erfolgende Inanspruchnahme verpflichtet den Arbeitgeber grundsätzlich zur Anmeldung der Erfindung sowie zur Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Arbeitnehmer. Die Verpflichtung zur Zahlung besteht zudem – jedenfalls dem Grunde nach – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Erfindung auch tatsächlich im Betrieb benutzt. Grundsätzlich besteht für den Arbeitgeber nach neuem Recht jedoch auch die Möglichkeit, sich nachträglich von den Folgen einer irrtümlichen Inanspruchnahme infolge des Fristablaufs zu befreien, indem er die – zunächst in Folge des Fristablaufs irrtümlich in Anspruch genommene Erfindung – wieder freigibt. Auf diese Weise kann zumindest für die Zukunft die Bindung der Inanspruchnahme wieder aufgehoben werden. Er muss auch hierbei allerdings die entsprechenden Formvorschriften (Textform) einhalten und sollte hierbei auch aus Beweisgründen für eine hinreichende Dokumentation sorgen. Ferner ist dies nur möglich, wenn er noch keine Patentanmeldung für die Erfindung eingereicht hat. Zumindest von der (teuren) Anmeldung der Erfindung im Ausland kann sich der Arbeitgeber allerdings auch dann noch schützen: Indem er dem die Erfindung nachträglich zumindest insoweit frei und dem Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit zur Anmeldung im Ausland gibt. Hierfür bestehen jedoch Fristen, die nicht verpasst werden dürfen: Dem Arbeitnehmer muss es objektiv möglich sein, die Anmeldung im Ausland selbst durchzuführen.
Die „angemessene Vergütung“ des Arbeitnehmers
Als Ausgleich dafür, dass der Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme des Arbeitgebers die Rechte an seiner Erfindung verliert, entsteht grundsätzlich mit der Inanspruchnahme ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Der Vergütungsanspruch berechnet sich nach Gesetz aus der umsatzbezogen Formel Vergütung V = Erfindungswert E * Anteilfaktor A * Miterfinderanteil M und wird entweder spätestens 3 Monate nach Erteilung des Schutzrechts (Patent oder Gebrauchsmuster) oder – wenn der Arbeitgeber die Benutzung der Erfindung schon vor der Erteilung eines Schutzrechts begonnen hat – spätestens 3 Monate nach Aufnahme der Benutzung (BGH, Urteil vom 28.06.1962 – „Chromregal“) fällig. Können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über die Höhe der angemessenen Vergütung einigen, muss der Arbeitgeber die Vergütung bis zu den genannten Zeitpunkten zunächst durch eine begründete Erklärung in Textform (alte Rechtslage: Schriftform) an den Arbeitnehmer einseitig festsetzen und entsprechend der Festsetzung mit der Zahlung beginnen. Hieran kann sich parallel eine Auseinandersetzung über die angemessene Höhe der Vergütung anschließen, wenn der Arbeitnehmer mit der Festsetzung nicht einverstanden ist.. Die Regelungen des ArbnErfG zur Vergütung können grundsätzlich nicht vorweg einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers – etwa im Arbeitsvertrag – ausgeschlossen werden. Zulässig sind jedoch freie Vereinbarungen über Diensterfindungen nach der Mitteilung der Erfindung durch den Arbeitnehmer. Hierbei kann die Erfindung im Wege der Individualabrede bspw. gegen eine Pauschalzahlung, die jedoch nicht unbillig sein, d.h. in keinem groben Missverhältnis zum gesetzlichen Vergütungsanspruch stehen darf, veräußert werden. Orientierung hinsichtlich der Höhe der Vergütung bieten die auf der Grundlage des ArbnErfG erlassenen „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus können – ohne die Regelungen des ArbnErfG zu ersetzen – selbstverständlich zusätzliche Vergütungsregelungen als Anreiz für besondere Leistungen mit in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Ein solcher Vertrag sollte wegen der komplexen Rechtslage im Patentrecht und der hohen möglichen Kosten nicht durch den Laien, sondern vom Anwalt erstellt werden.
Besonderheiten bei Software
Das Arbnehmererfindungsrecht betrifft allein technische Erfindungen und Verbesserungen und erstreckt sich grundsätzlich nicht auf urheberrechtlich geschützte Werke, wie bspw. reinen Programmcode, also im Unternehmen geschaffene Software. Gleichwohl können auch rein software-basierte Entwicklungen technische Erfindungen beinhalten oder darstellen (sog. „computerimplementierte Erfindungen“ oder „Software-Patente“). Soweit für die Software ein urheberechtlicher Schutz in Betracht kommt, bestimmt § 69 b UrhG, dass die Arbeitsergebnisse allein dem Arbeitgeber zustehen, und zwar ohne dass dieser zu einer weiteren Vergütung über die Arbeitsleistung hinaus verpflichtet ist. Dies umfasst jedoch nicht das möglicherweise patentfähige und patentwürdige Erfindungspotential, das auch in rein software-implementierten Entwicklungen stecken kann. Mag die Unterscheidung zwischen „technischer“ Software und „nichttechnischer“ Software im Einzelfall auch schwer zu treffen sein, sollten derartige Patentierungspotentiale im Unternehmen nicht frühzeitig ohne Not ausgeblendet werden.
Fazit
Gerade Unternehmen mit vitaler Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sollten Ihre Arbeitsverträge und den innerbetrieblichen Umgang mit Erfindungen in Hinblick auf die neue Gesetzlage überprüfen und soweit erforderlich anpassen. Generell kann Unternehmen in einem kompetitiven Marktumfeld nur die Schaffung wirksamer Strukturen zur frühzeitigen Erkennung und Sicherung betrieblicher Innovationsprozesse und –potentiale angeraten werden. Dies wird durch eine entsprechende Sensibilisierung und Anleitung der betroffenen Angestellen in Hinblick auf die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen und die Implementierung eines effektiven innerbetrieblichen Meldemanagements erreicht. Durch eine aktive Fristenkontrolle kann gleichzeitig sichergestellt werden, „versehentliche“ Inanspruchnahmen von für das Unternehmen wertlosen Erfindungen zu verhindern.
Sie haben Fragen zum Arbeitnehmererfindungsrecht und innerbetrieblichem Know-how-Mangagement? Wir bieten kompetente und praxisorientierte Beratung und Lösungen. Sprechen Sie uns an!
Sicherung technischen Know-hows im Unternehmen – das Arbeitnehmererfindungsrecht
Erfindungen entstehen nur selten im rein privaten Bereich. In den überwiegenden Fällen entstehen Erfindungen in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen eines Unternehmens durch angestellte Mitarbeiter. Letztere handeln zwar im Auftrag des Unternehmens, die von ihnen geschaffenen sog. Arbeitnehmererfindungen stehen aber nach dem „Erfinderprinzip“ (vergleichbar mit dem „Schöpfungsprinzip“ des Urheberrechts) zunächst ihnen selbst als Person zu. Demgegenüber hat das Unternehmen, das die Forschungsmöglichkeiten in derartigen Fällen überhaupt erst schafft und den Arbeitnehmer gerade zur Entwicklung von Lösungen und Verbesserungen beschäftigt, naturgemäß ein eigenes Interesse an dem Erwerb der Rechte an der Erfindung. Dies ist aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz, dass sämtliche im Arbeitsverhältnis geschaffenen Arbeitsergebnisse dem Arbeitgeber gehören sollen, grundsätzlich auch als berechtigtes Interesse anerkannt.
Das Arbeitnehmererfindungsgesetz
Das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbnErfG) schafft hier einen Interessensausgleich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Es schafft einerseits Möglichkeiten der des Rechtsübergangs einer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachten Erfindung auf den Arbeitgeber und definiert andererseits Grundlagen für eine angemessene Vergütung des en Arbeitnehmers. Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmererfindungsgesetzes sind Arbeitnehmer im privaten und im öffentlichen Dienst sowie Beamte und Soldaten. Nicht unter den Begriff des Arbeitnehmers fallen die Gesellschafter des Unternehmens und – gerade im Bereich der Softwareentwicklung häufig hinzugezogene – freie Entwickler („Freelancer“). Für solche externen Mitarbeiter eines Unternehmens gilt das ArbnErfG nicht. Mit Ihnen können und müssen rechtzeitig gesonderte vertragliche Regelungen getroffen werden um eine spätere Verwertung von Erfindungen zu sichern. Gleiches gilt, wenn externe Firmen mit der Entwicklung einer Lösung für ein technisches Problem beauftragt werden oder bei Kooperationen mit Forschungseinrichtungen von Universitäten und Hochschulen.
Das ArbnErfG wurde durch den Bundestag am 28. Mai 2009 mit dem Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts („Patentrechtsmodernisierungsgesetz“) in bedeutenden Punkten geändert, wobei die Rechtsänderungen mit Wirkung zum 1. Oktober 2009 in Kraft getreten sind.
Inanspruchnahme nur von „Diensterfindungen“
Auch durch die Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes erwirbt der Arbeitgeber nicht das Recht, jegliche Erfindungen, die durch einen seiner Arbeitnehmer während eines Anstellungsverhältnisses gemacht werden, für sich zu verwerten. Möglich ist dies nur bei Erfindungen, die im Wesentlichen auf das Arbeitsverhältnis zurückzuführen sind: Sog. „Diensterfindungen“. Alle anderen Erfindungen, die allein auf das private Engagement des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, sind als sog. „freie Erfindungen“ zu qualifizieren und stehen allein dem Arbeitnehmer zu. Die richtige Einordnung kann im Einzelfall schwierig sein und dem Arbeitnehmer obliegt zunächst die Pflicht, seinem Arbeitgeber als Diensterfindung einzuordnende Erfindung zu melden (Erfindungsmeldung). Geht er fälschlicherweise von einer „freien Erfindung“ aus, ist dem Arbeitgeber zum Ersatz von Schäden, die aus dem Unterlassen der Meldung entstehen, nach allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Grundsätzen verpflichtet. Ihm obliegt insoweit also ein Beurteilungsrisiko. Die Beweislast dafür, dass es sich um eine Diensterfindung handelt, obliegt allerdings dem Arbeitgeber. Der Begriff der Diensterfindung ist vom Gesetz nur ungenau definiert: Diensterfindungen sind während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindungen, die entweder aus der dem Arbeitnehmer im Betrieb oder in der öffentlichen Verwaltung obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes oder der öffentlichen Verwaltung beruhen.
Die Rechte an einer Diensterfindung
Die alte Rechtslage
Nach bisherigem Recht war die Übertragung des Rechts auf die Erfindung in einem streng förmlichen Verfahren geregelt. Der Arbeitgeber musste bei ihm bekannt gewordenen Erfindungen seiner Arbeitnehmer binnen vier Monaten ab Kenntniserlangung schriftlich erklären, dass er diese in eigenem Namen verwerten möchte („Inanspruchnahme“), wenn er diese rechtswirksam verwerten und in eigenem Namen schützen lassen wollte. Sofern für den Arbeitgeber kein Interesse an der Erfindung bestand, konnte er diese dem Arbeitnehmer selbstverständlich auch zu dessen eigener Verwertung freigeben („Freigabe der Erfindung“). Um dem Arbeitgeber diese Entscheidung zu ermöglichen, musste der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die Erfindung, also die jeweilige technische Entwicklung, die patent- oder gebrauchsmusterfähig ist, zunächst in Textform melden. Erfolgte keine formgemäße Anzeige der Erfindung durch den Arbeitnehmer, wurde diese dem Arbeitgeber aber gleichwohl bekannt, so wurde diese förmliche Erfindungsmeldung spätestens mit der Einreichung einer Patentanmeldung durch den Arbeitgeber „fingiert“. D.h., dass spätestens mit der Einreichung der Patentanmeldung durch den Arbeitgeber die viermonatige Frist für die rechtswirksame Inanspruchnahme der Erfindung in Gang gesetzt wurde. Andererseits gab es für den Arbeitgeber keine derartige Formerleichterung: Die Inanspruchnahme musste binnen der viermonatigen Frist ausdrücklich und in schriftlicher Form erfolgen. Wurde dies versäumt, wurde die Erfindung für den Arbeitnehmer frei, d.h.., dass dem Arbeitnehmer sämtliche Rechte auf die und aus der Erfindung alleine zustanden. Dies galt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber in der Zwischenzeit bereits eine Patentanmeldung für die Erfindung eingereicht hatte, oder nicht.
Reagierte der Arbeitgeber mithin auf eine Erfindungsmeldung nicht oder machte er einen Formfehler bei der Inanspruchnahme der Erfindung, hatte dies zur Folge, dass die Rechte an der Erfindung beim Arbeitnehmer verlieben, der sie nun selbst verwerten konnte. Dem Arbeitgeber bleib in diesem Fall nur noch, sich mit dem Arbeitnehmer nachträglich zu einigen ihm die Erfindung zu einem dann frei verhandelbaren Preis abzukaufen. In der Vergangenheit führte diese gesetzlich vorgesehene Folge häufig zu dramatische Ergebnissen, da für etliche, gerade mittelständische Firmen, welche die rechtzeitige bzw. formell korrekte Inanspruchnahme versäumten, die von ihnen finanzierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit wirtschaftlich verloren ging. Im schlimmsten Fall verkaufte der Erfinder gar das Patent an einen Konkurrenten aus derselben Branche.
Diese Rechtslage gilt nach wie vor bei Arbeitnehmererfindungen, die vor dem 01.10.2009 entstanden sind.
Die neue Rechtslage
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat der Gesetzgeber mit dem neuem Recht nun eine Inanspruchnahmefiktion zugunsten des Arbeitgebers eingeführt: Alle Rechte an einer Arbeitnehmererfindung gehen vier Monate nach ihrer Meldung durch den Arbeitnehmer automatisch auf den Arbeitgeber über, wenn dieser die Erfindung nicht vorher freigibt. Mit dieser Neuregelung wurde die früher für den Arbeitgeber bestehende Gefahr des versehentlichen Rechtsverlustes durch Versäumung der Frist zur Inanspruchnahme gebannt. Eine weitere Erleichterung der Neuregelung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage stellt die Tatsache dar, dass nunmehr sowohl die Erfindungsmeldung als auch die (etwaige) Freigabe des Arbeitgebers künftig in Textform möglich ist, also im Gegensatz zur bisher maßgebenden strengen Schriftform auch per e-Mail oder Fax.
Schließlich ist zugunsten einer Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage die Möglichkeit für den Arbeitgeber weggefallen, die Erfindung lediglich beschränkt in Anspruch zu nehmen und nur ein einfaches innerbetriebliches Nutzungsrecht an der Erfindung zu erwerben.
Risiken der neuen Rechtslage
Auch die neue Rechtslage ist für den Arbeitgeber allerdings nicht frei von Risiken. Zwar läuft dieser nicht mehr wie früher Gefahr, Rechte auf eine innerbetriebliche Erfindung zu verlieren, wenn er nicht oder nicht formal richtig auf eine Erfindungsmeldung reagiert. Dafür trägt er künftig das Risiko, auf Grund der Inanspruchnahmefiktion Rechte an einer Erfindung zu erhalten, an der er möglicherweise überhaupt kein Interesse hat. Die nun „automatisch“ kraft Gesetz erfolgende Inanspruchnahme verpflichtet den Arbeitgeber grundsätzlich zur Anmeldung der Erfindung sowie zur Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Arbeitnehmer. Auch Letzteres stellt eine Verschärfung zu Lasten des Arbeitgebers dar: Während die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung neben der Inanspruchnahme zusätzlich die Aufnahme der tatsächlichen Nutzung der Erfindung durch den Arbeitgeber voraussetzte, reicht diesbezüglich nun die Inanspruchnahme allein aus. Grundsätzlich besteht für den Arbeitgeber nach neuem Recht jedoch auch die Möglichkeit, sich nachträglich von den Folgen einer irrtümlichen Inanspruchnahme infolge des Fristablaufs zu befreien, indem er die – zunächst in Folge des Fristablaufs irrtümlich in Anspruch genommene Erfindung – wieder freigibt. Auf diese Weise kann zumindest für die Zukunft die Bindung der Inanspruchnahme wieder aufgehoben werden. Er muss auch hierbei allerdings die entsprechenden Formvorschriften (Textform) einhalten und sollte hierbei auch aus Beweisgründen für eine hinreichende Dokumentation sorgen. Ferner ist dies nur möglich, wenn er noch keine Patentanmeldung für die Erfindung eingereicht hat. Zumindest von der (teuren) Anmeldung der Erfindung im Ausland kann sich der Arbeitgeber allerdings auch dann noch schützen: Indem er dem die Erfindung nachträglich zumindest insoweit frei und dem Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit zur Anmeldung im Ausland gibt. Hierfür bestehen jedoch Fristen, die nicht verpasst werden dürfen: Dem Arbeitnehmer muss es objektiv möglich sein, die Anmeldung im Ausland selbst durchzuführen.
Die „angemessene Vergütung“ des Arbeitnehmers
Als Ausgleich dafür, dass der Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme des Arbeitgebers die Rechte an seiner Erfindung verliert, entsteht – nach neuem Recht – mit der Inanspruchnahme ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber. Der Vergütungsanspruch berechnet sich nach Gesetz aus der umsatzbezogen Formel Vergütung V = Erfindungswert E * Anteilfaktor A * Miterfinderanteil M und muss spätestens 3 Monate nach Inanspruchnahme und Nutzungsaufnahme der Erfindung vom Arbeitgeber festgesetzt werden. Die Regelungen des ArbnErfG zur Vergütung können grundsätzlich nicht vorweg einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers – etwa im Arbeitsvertrag – ausgeschlossen werden. Zulässig sind jedoch freie Vereinbarungen über Diensterfindungen nach der Mitteilung der Erfindung durch den Arbeitnehmer. Hierbei kann die Erfindung im Wege der Individualabrede bspw. gegen eine Pauschalzahlung, die jedoch nicht unbillig sein, d.h. in keinem groben Missverhältnis zum gesetzlichen Vergütungsanspruch stehen darf, veräußert werden. Orientierung hinsichtlich der Höhe der Vergütung bieten die auf der Grundlage des ArbnErfG erlassenen „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Darüber hinaus können – ohne die Regelungen des ArbnErfG zu ersetzen – selbstverständlich zusätzliche Vergütungsregelungen als Anreiz für besondere Leistungen mit in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden.
Besonderheiten bei Software
Das ArbnErfG betrifft allein technische Erfindungen und Verbesserungen und erstreckt sich grundsätzlich nicht auf urheberrechtlich geschützte Werke, etwareinen Programmcode, also im Unternehmen geschaffene Software. Gleichwohl können auch rein software-implementierte Prozesse technische Erfindungen beinhalten oder darstellen (sog. „computerimplementierte Erfindungen“ oder „Software-Patente“). Soweit für die Software ein urheberechtlicher Schutz in Betracht kommt, bestimmt § 69 b UrhG, dass die Arbeitsergebnisse allein dem Arbeitgeber zustehen, und zwar ohne dass dieser zu einer weiteren Vergütung über die Arbeitsleistung hinaus verpflichtet ist. Dies umfasst jedoch nicht das möglicherweise patentfähige und patentwürdige Erfindungspotential, das auch in rein software-implementierten Entwicklungen stecken kann. Mag die Unterscheidung zwischen „technischer“ Software und „nichttechnischer“ Software im Einzelfall auch schwer zu treffen sein, sollten derartige Patentierungspotentiale im Unternehmen nicht frühzeitig ohne Not ausgeblendet werden.
Gerade Firmen mit reger Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sollten Ihre Arbeitsverträge und den innerbetrieblichen Umgang mit Erfindungen angesichts der neuen Gesetzlage überprüfen und soweit erforderlich anpassen. Generell sollte durch die Sensibilisierung der Angestellten und die Implementierung eines innerbetrieblichen Meldemanagements wirksame Strukturen zur frühzeitigen Erkennung betrieblicher Innovationsprozesse und –potentiale geschaffen werden und gleichzeitig durch eine aktive und eine effektive Fristenkontrolle sichergestellt werden, die „versehentliche Inanspruchnahme“ von wertlosen Erfindungen zu verhindern.