BGH: Postfach als Adresse für Fernabsatzwiderruf zulässig

Vor allem für Betreiber von Online-Shops können wir die folgende brandaktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 25. Januar 2012 – VIII ZR 95/11) vermelden:

Laut Pressemeldung vom heutigen 25. Januar 2012 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzgeschäft die Angabe einer Postfachadresse des Widerrufsadressaten ausreichen kann.

Aber Vorsicht: anders als viele Quellen verlauten lassen, kann die Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage nicht uneingeschränkt angewendet werden.

Zum Hintergrund:

Fernabsatzgeschäft und Widerrufsrecht

Bei einem Fernabsatzgeschäft steht dem Besteller ein Widerrufsrecht zu, wenn er Verbraucher ist. Dieses Widerrufsrecht soll sicherstellen, dass der Verbraucher eine online bestellte Ware auch in ihrem tatsächlich gelieferten Zustand in natura prüfen, ausprobieren und bei Nichtgefallen zurückgeben kann, ohne dass dem ein bindender Vertrag entgegensteht. Ob diese Regelung sinnvoll ist oder ob sie aus dem Internet ein Leihhaus zulasten der Shop-Anbieter macht, kann dahinstehen. Der europäische Gerichtshof hat – und dies legen auch die nationalen Gerichte bei ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde – klar zum Ausdruck gebracht, dass die auf die Ausübung des Widerrufsrechts erfolgende Rückabwicklung eines Fernabsatzvertrages dem Verbraucher ohne Kosten möglich sein soll (EuGH, Urteil vom 15.04.2010 – C-511/08).

Wer Waren im Rahmen eines Fernabsatzgeschäftes (dies kann ein Internet-Shop, aber auch eine Bestellabwicklung ausschließlich per E-Mail, Telefon oder mit anderen Fernkommunikationsmittel sein) verkauft, muss dem Verbraucher über das Bestehen eines Widerrufsrechts informieren. Die Belehrung muss dabei in Textform erfolgen, beispielsweise im Rahmen einer dem Käufer zugeschickten E-Mail. Die Anzeige der Widerrufsbelehrung auf einer Internetseite genügt nicht, auch wenn der Verbraucher diese Seite ausdrucken kann.

Widerrufsbelehrung: Postfach reicht (jetzt nicht mehr)

Streitig war, ob für die Ausübung des Widerrufsrechts die Angabe einer Hausadresse notwendig ist, oder ob die Angabe eines Postfaches ausreicht. Dies hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden und festgestellt, dass ein Postfach ausreichend ist.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit hat der Kläger mit einem Energieversorger im Jahre 2008 einen Fernabsatzvertrag über die Lieferung von Erdgas geschlossen. Die Widerrufsbelehrung enthielt als Anschrift, an welche ein Widerruf zu senden ist, die Postfachadresse des Gasanbieters.

Am 1. Oktober 2009 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Vertragserklärung. Die Beklagte akzeptierte den Widerruf nicht. Hiergegen klagte der Verbraucher und begehrte die Feststellung, dass der Widerruf wirksam erfolgt ist – ohne Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Angabe eines Postfachs als Widerrufsadresse im Fernabsatz den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Anforderungen genügte.Der Verbraucher werde durch die Angabe einer Postfachadresse in gleicher Weise wie durch die Angabe einer Hausanschrift in die Lage versetzt, seine Widerrufserklärung auf den Postweg zu bringen. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen. Der Verbraucher hatte daher keinen Anspruch auf die Benennung einer Hausadresse.

Die Entscheidung kann aber vor die Hintergrund der aktuellen Gesetzeslage nicht mehr uneingeschränkt als Handlungsempfehlung gelten. Denn § 360 Abs. 1 Nr. 3 BGB sieht mittlerweile ausdrücklich vor, dass die Widerrufsbelehrung

“ den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären

zu enthalten hat. Folglich kann zwar eine Postfachadresse für den Widerruf genannt werden, daneben muss jedoch auch eine ladungsfähige Anschrift genannt sein. Eine solche Anschrift kann aber keine reine Postfachadresse sein.

Widerrufsbelehrung: steter Quell des Ärgers

Die Entscheidung bringt etwas mehr Licht ins rechtliche Dunkel des Fernabsatzrechts. Insbesondere im Bereich des Widerrufsrechts sind hier zahlreiche Rechtsfragen ungeklärt. Wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten, die nicht selten in Abmahnungen, einstweiligen Verfügungen und auf Unterlassung gerichteten Klagen enden, haben nicht selten das Widerrufsrecht für Verbraucher zum Gegenstand. Für viele Gerichte sind auch kleinste Verstöße und Abweichungen in Verbraucher schützenden Aufklärungs- und Belehrungstexten klare Wettbewerbsverletzungen. Daraus resultiert dann ein – nicht selten kostspielig ausgefochtener – Unterlassungsanspruch von Mitbewerbern.

Kleiner Fehler – große Wirkung

Ein „beliebter“ Fehler ist beispielsweise die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Dies halten einige Urteile (z.B.  Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 2. Juli 2009 – 4 U 43/09) für wettbewerbswidrig weil der Verbraucher so in die Irre geführt werden kann, dass ein Widerruf auch telefonisch (und nicht in Textform oder durch Rücksendung der Sache) erklärt werden kann.

Wer im Fernabsatz Waren und sonstige Leistungen anbietet oder anbieten möchte, fährt mit einer kompetenten Beratung durch einen Rechtsanwalt besser. Denn so können Probleme von Anfang an vermieden werden, die ansonsten später mit deutlich höheren Kosten (und mit deutlich mehr Stress) verbunden sein können. In Hamburg steht Ihnen das Team von BBS Rechtsanwälte für alle Ihre Fragen zur rechtssicheren Shop-Gestaltung, aber natürlich auch zu den Themen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Markenrecht und Urheberrecht als spezialisierter Partner zurVerfügung – und zwar freundlich, schnell und kostenbewußt. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.