Bundesgerichtshof: Double-Opt-In für Telefonwerbung europerechtskonform
Telefonwerbung: geliebt und gehasst
Sie ist weit verbreitet, effektiv und preiswert – darüber hinaus allgemein ungeliebt und in vielen Fällen illegal: die Rede ist von Telefonwerbung. Eine gerade ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs schafft nochmals Klarheit über die Grenzen dieser Werbeform.
Telefonmarketing wird von den Gerichten sehr streng beurteilt. Der Angerufene kann sich der Werbung nur schwer entziehen, wenn er erst einmal den Hörer zur Hand genommen hat. Deshalb erlaubt die Rechtsprechung Telefonwerbung nur unter engen Voraussetzungen.
Einwilligung notwendig
Gegenüber Verbrauchern ist eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich. Auch Gewerbetreibende/Unternehmer dürfen nicht einfach zu Werbezwecken per Telefon kontaktiert werden. Hier ist zumindest eine so genannte mutmaßliche Einwilligung notwendig. „Mutmaßliche Einwilligung“ bedeutet nicht etwa, dass der Unternehmer an irgendeiner Stelle eine Telefonnummer kommuniziert. Vielmehr muss es Anhaltspunkte geben, dass der Unternehmer genau mit dem jeweiligen Werbeanruf einverstanden ist. Selbst eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung reicht hierfür alleine noch nicht aus. So jedenfalls urteilte der BGH bereits vor Jahren (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.09.2007, Aktenzeichen: I ZR 88/05).
Gegenüber Verbrauchern: Einwilligung durch AGB nur bei klarer Formulierung
Für Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern stellt die Rechtsprechung dann auch noch hohe Anforderungen an die Form der Einwilligung. So reicht es beispielsweise für eine wirksame Einwilligung nicht aus, wenn die Zustimmung dem Verbraucher im Rahmen einer entsprechenden Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen „untergejubelt“ wird. Der Bundesgerichtshof hatte über die damaligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Kundenbindungsprogramms „Payback“ zu entscheiden (BGH, Urteil vom 16.7.2008, Aktenzeichen: VIII ZR 348/06). In diesen Geschäftsbedingungen war eine Einwilligung zur Werbung per Telefon, E-Mail und SMS enthalten. Die entsprechende Passage war hervorgehoben.
Der Bundesgerichtshof hielt die Regelung trotzdem für unangemessen und unwirksam. Nach der Einschätzung des Gerichts ist für diese Werbeformen eine Einwilligung durch ein aktives Handeln (so genanntes „Opt-In“) erforderlich. Dies kann nach Ansicht des BGH grundsätzlich auch durch eine Zustimmung zu AGB-basierten Einwilligungsformen erfolgen.
In seiner neuen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an eine AGB-Einwilligung weiter konkretisiert. Mit seinem Urteil vom 25. 10. 2012 AZ: I ZR 169/10 (KG)) stellte der BGH klar, dass eine Einwilligung in Gewinnspielbedingungen – welche der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen – nach Einschätzung des Gerichts grundsätzlich möglich ist. Die Einwilligung muss aber dann „für den konkreten Fall“ erfolgen. Dem Vertragspartner muss daher klar werden, welche Produkte oder Dienstleistungen welcher Unternehmen die Einwilligung umfasst.
Eine wirksame Einwilligung kann nach der vorgenannten Entscheidung z.B. auch durch Ankreuzen einer entsprechend konkret vorformulierten Erklärung erteilt werden, wenn sie in einem gesonderten Text oder Textabschnitt ohne anderen Inhalt enthalten ist. Liegt eine wirksame Einwilligung vor, ist unerheblich, ob das Unternehmen selbst oder von ihm eingeschaltete Beauftragte den Werbeanruf ausführen. Allerdings muss der Einwilligende eben klar erkennen, wer ihn entsprechend seiner Einwilligung zu welchen Zwecken kontaktieren darf.
Telefonwerbung führt häufig zu Rechtsstreitigkeiten. Unerlaubte Telefonwerbung ist wettbewerbswidrig. Der Werbende verstößt gegen § 7 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Daher haben die Wettbewerber des Werbetreibenden, aber auch Wettbewerbs- und Verbraucherschutzverbände einen Unterlassungsanspruch gegen den Werbetreibenden. Diesen Unterlassungsanspruch können sie mit Abmahnungen, Klagen und einstweiligen Verfügungen verfolgen. Die hohen Anforderungen an die Zulässigkeit von Telefonwerbung treffen jedoch nicht nur auf Zustimmung. Viele Unternehmen möchten nicht auf diese besonders effektive Werbeform verzichten. Insbesondere Unternehmen, die über Call-Center aktive Werbeanrufe (so genannte Outbound-Calls) durchführen lassen, fühlen sich durch die deutschen Gerichte zu Unrecht eingeschränkt.
BGH: Opt-In muss bewiesen werden
So sah es auch eine Allgemeine Ortskrankenkasse, der wettbewerbswidrige Telefonwerbung teuer zu stehen gekommen ist. Die Krankenkasse hatte sich gegenüber einer Verbraucherzentrale zur Unterlassung von Werbeanrufen verpflichtet. Für den Fall der Zuwiderhandlung sollte die Krankenkasse dabei eine Vertragsstrafe zahlen. Der Fall trat ein. Für zwei unaufgeforderte Werbeanrufe bei Verbrauchern forderte die Verbraucherzentrale eine Vertragsstrafe von Euro 10.000. Natürlich wollte die Krankenkasse die Vertragsstrafe nicht bezahlen. Sie berief sich darauf, dass die strengen deutschen Anforderungen an Telefonwerbung nicht mit dem Europarecht vereinbar seien – ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Krankenkasse gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vertragsstrafe zurück. Nach Meinung des höchsten deutschen Zivilgerichts hatte die Krankenkasse nicht die für die Werbeanrufe notwendige Einwilligung nachweisen können. Die Krankenkasse habe zwar behauptet, eine Einwilligung per E-Mail durch ein so genanntes „Double-Opt-in“ im Rahmen eines Gewinnspiels eingeholt zu haben. Beim Double-Opt-In wird im Rahmen der Einwilligung die E-Mail-Adresse des Einwilligenden überprüft. Dies geschieht beispielsweise durch das Anklicken eines Hyperlinks in einer Bestätigungs-E-Mail. Die Krankenkasse konnte jedoch diese Bestätigungs-E-Mail und die darauf angeblich erfolgte Verifizierung nicht beweisen. Dem BGH reichte die Behauptung, dass das Double-Opt-In-Verfahren durchgeführt worden ist, nicht zum Beweis der Einwilligung des Verbrauchers in Werbeanrufe aus.
EU-Recht steht strengen deutschen Regelungen nicht entgegen
Die strengen Anforderungen an eine solche Einwilligung verstoßen nach Einschätzung des Gerichts auch keineswegs gegen das Europarecht. Zwar gehen die Anforderungen des deutschen Rechts über die Mindestanforderungen der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (so genannte UGP-Richtlinie) hinaus. Das sei jedoch nicht zu beanstanden. Die Richtlinie lege nur einen Mindeststandard fest. Sie verbiete den Mitgliedstaaten jedoch nicht, strengere Anforderungen aufzustellen.
Telefon, E-Mail, SMS: Einwilligung richtig gestalten
Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist unter verschiedenen Aspekten interessant: Einerseits bestätigt der Bundesgerichtshof, dass die strengen gesetzlichen Anforderungen an besonders intensive Werbeformen europarechtskonform sind. Das gilt nicht nur für Telefonwerbung. Insbesondere für Werbung per SMS und natürlich E-Mail-Werbung sind ebenso strenge Voraussetzungen einzuhalten (hierzu unser Grundlagenartikel SPAM: Unverlangte elektronische Werbung (z.B. per Telefon, Internet, E-Mail). Bei E-Mail-Werbung ist eine Verifizierung per Double-Opt-In verpflichtend.
Auch Anforderungen des Telemediengesetzes zu beachten
Für viele Fälle bestimmt nicht nur das UWG, sondern auch das Telemediengesetz (TMG), dass eine Einwilligung des Nutzers erforderlich ist. Die Datenschutzvorschriften des TMG sehen vor, dass der Anbieter eines Telemediendienstes (beispielsweise einer Internetseite) Bestandsdaten der Nutzer nur zur Erbringung und Abrechnung des Dienstes selbst nutzen darf. Für eine darüber hinausgehende Verwendung (beispielsweise für E-Mail-Newsletter oder Werbe-Anrufe) ist eine Einwilligung einzuholen, deren Form das Gesetz detailliert vorschreibt: die Erteilung der Einwilligung in elektronischer Form ist nur dann wirksam, wenn
– der Nutzer seine Einwilligung bewusst und eindeutig erteilt hat,
– die Einwilligung protokolliert wird,
– der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit abrufen kann und
– der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann.
Wer ohne Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen E-Mail-Werbung an Empfänger verschickt, die der Werbung nicht vorher zugestimmt haben, riskiert eine Abmahnung. Diese Abmahnung kann auf das Wettbewerbsrecht gestützt sein. Die Rechtsprechung qualifiziert unaufgeforderte E-Mail-Werbung jedoch auch als rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Empfängers. Daher können nicht nur Wettbewerber gegen die E-Mail-Werbung vorgehen. Ist der Empfänger ein Unternehmer, kann er sich wegen der Verletzung seiner Rechte gegen die Werbe-E-Mail selbst wehren und dabei auch etwaig entstandene Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen. Ein Wettbewerbsverhältnis muss bei einer Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht vorliegen.
Die Argumente der Werbetreibenden konnten die Gerichte auch nicht von weniger strengen Maßstäben überzeugen. Natürlich ist insbesondere E-Mail-Werbung, aber auch Telefonwerbung durch die unmittelbare Kontaktaufnahme besonders effektiv. Im Gegensatz zu flächendeckenden Anzeigenkampagnen sind diese Werbeformen obendrein noch besonders preisgünstig. Die Rechtslage ist dennoch klar: wendet sich die Werbung am Verbraucher, ist eine durch ein eindeutiges Handeln erklärte Einwilligung notwendig. Gegenüber Unternehmern ist zwar grundsätzlich etwas mehr möglich, jedoch sind auch hier die Voraussetzungen streng.
Darüber hinaus dürften die Beweisanforderungen des Bundesgerichtshofs künftig auch von den Untergerichten angewendet werden. Danach könnte es in Zukunft – anders als dies bislang einige Landgerichte so akzeptiert haben – gerade nicht mehr ausreichen, dass die grundsätzliche Anwendung des Double-Opt-In-Verfahrens dargelegt und bewiesen wird. Vielmehr muss die Erteilung und Überprüfung der Einwilligung im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden. Die entsprechenden Daten sollten daher zum Beweis aufbewahrt werden.
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BBS Rechtsanwälte Hamburg