Abstract oder Rechtsverletzung? Urheberrechtliche Zulässigkeit von Zusammenfassungen

Wichtig für alle Ersteller von Abstracts, die Abmahnungen vermeiden wollen: Wer Buchkritiken in deutlich verkürzter Form zusammenfasst und – insbesondere im Internet – veröffentlicht, sollte die soeben vom BGH in seiner Entscheidung vom 01.12.2010 aufgestellten Grundsätze kennen. Diese Grundsätze lassen sich auch auf andere Auswertungen fremder Texte übertragen.:

Die Verlegerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) hatte gegen die Betreiberin der Website „perlentaucher.de“ geklagt. Letztere hatte verkürzte Zusammenfassungen, sog. „Abstracts“, von Buchrezensionen aus der FAZ unter dem Titel „Notiz zur FAZ“ veröffentlicht und Dritten, unter anderem amazon.de, Abdrucklizenzen erteilt. Die Abstracts enthalten besonders aussagekräftige Passagen aus den Originalrezensionen, die meist durch Anführungszeichen gekennzeichnet sind.

Nur Umarbeitung oder ganz neues Werk?

Ob durch ein solches Abstract Urheberrechte verletzt werden, hängt nach dem BGH davon ab, ob das Abstract als so genannte „abhängige Bearbeitung“ (§ 23 Urheberrechtsgesetz – UrhG) oder als so genannte „freie Benutzung“ (§ 24 UrhG) der Originalrezension anzusehen ist.

Die vom BGH behandelten Abstracts stellten nach Ansicht des Gerichts Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes dar. Die schöpferische Leistung liegt in der Ermittlung des Kerngehalts der Originalrezension und der – nicht einfachen – Komprimierung der gesamten Rezension auf diesen Kerngehalt. Die Original-Buchrezensionen demgegenüber sind in aller Regel ebenfalls urheberrechtlich geschützte Schriftwerke. Die schöpferische Eigenart einer Buchrezension liegt dabei in den meisten Fällen nicht in ihrem Inhalt, sondern in ihrer Form und insbesondere in ihren Formulierungen.

Rechtsverletzung oder nicht? – Der Abstand entscheidet

Die reine sinngemäße Wiedergabe des Inhalts einer Rezension ist grundsätzlich eine urheberrechtlich zulässige freie Benutzung dieses Schriftwerks.

Anders sieht es aber aus, wenn Abstracts Formulierungen enthalten, auf denen gerade die schöpferische Eigenart der zusammengefassten Rezension beruht. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Passagen aus der Originalrezension vollständig übernommen werden.

Nur wenn das Abstract trotz der Übereinstimmungen in der Gesamtschau einen so großen äußeren Abstand zum Schriftwerk einhält, dass die eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen, liegt eine zulässige Benutzung vor. Ansonsten begehen Ersteller und  ggf. Verwerter des Abstracts eine Urheberrechtsverletzung.

Unwichtig ist dabei, ob das neue Werk, ähnlich wie bei einer Parodie, zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werkes trotz der Übernahme von Formulierungen lediglich einen so großen inneren Abstand hält, dass es seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist, kurzum: eine Urheberrechtsverletzung liegt sogar möglicherweise dann vor, wenn der Ersteller mit dem Abstract ein eigenes urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen hat – in dem aber das ursprüngliche Werk noch eine erkennbare und selbstständige Rolle spielt.

Keine Ansprüche aus Marken- und Wettbewerbsrecht

Markenrechtliche und wettbewerbsrechtliche Ansprüche schieden aus Sicht des BGH im konkreten Fall unabhängig vom etwaigen Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung aus.

Zunächst zum Markenrecht: Nach der Vorschrift des § 23 Nr. 2 Markengesetz hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, ein mit der Marke identisches oder ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale von Dienstleistungen, wie insbesondere ihre Art oder ihre Beschaffenheit, im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des BGH vor, der mit der Anwendung dieser Ausnahmevorschrift ansonsten sehr restriktiv umgeht.Entscheidend war für das Gericht, dass die Beklagte mit der Angabe „Notiz zur FAZ“ darauf hingewiesen hat, dass ihre Zusammenfassungen in der „FAZ“ erschienene Originalrezensionen zum Gegenstand haben.

Und schließlich zum Wettbewerbsrecht: Nach den für § 4 Nr. 9 UWG geltenden Grundsätzen des BGH kann das Angebot eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung zu einer vermeidbaren Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft führt, die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder Mitbewerber unlauter behindert. Im Streitfall scheiterten Ansprüche aus  diesem so genannten „ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz“ bereits daran, dass die Originalrezensionen nach Ansicht des BGH keine wettbewerbliche Eigenart hatten, weil der Leser nur anhand des Inhalts nicht erkennen konnte, dass die Rezension aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stammt.

Empfehlung

Wer sich mit fremden Rezensionen befasst, sollte vorsichtig sein. Die Grenze zwischen freier Benutzung und Urheberrechtsverletzung ist fließend. Wer auf die Übernahme von Originalpassagen verzichtet, geht auf jeden Fall ein geringeres Risiko ein.

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