Von Textdieben und Ghostwritern – zum Recht an Schriftwerken
Die einen schreiben selbst, die anderen lassen schreiben. Doch in übernommenen fremden Texten können sich nicht nur mehr oder weniger Wahrheit oder Peinlichkeiten verbergen, sondern auch handfeste rechtliche Probleme. Das sollte nicht nur Protagonisten in staatstragender Stellung bekannt sein. Jeder, der sich mit Texten und deren Verwertung auseinandersetzt, sollte zumindest die urheberrechtlichen Grundlagen kennen. Zentrale Frage ist dabei fast immer, ob ein fremder Text ganz oder teilweise übernommen werden darf. Äußerst bedeutsam für diese Frage ist das Urheberrecht. Denn das Urheberrecht schützt – neben anderen Werkarten wie Fotos, Filmen und Musik – auch Schriftwerke. Schriftwerke sind Werke, die den sprachlichen Gedankeninhalt eines Werkes durch Schriftzeichen und andere Zeichen äußerlich erkennbar machen, die also kurzum „lesbar“ sind.
Schöpfungshöhe: Kreativität zählt
Für das Bestehen eines Urheberrechts an einem solchen Werk spielt die „persönlich geistige Schöpfung“ eine besonders wichtige Rolle. Das Urheberrecht stellt bei Schriftwerken – anders als bei Fotos – durchaus nennenswerte Anforderungen an die inhaltliche Qualität und Originalität des Werkes (sog. „Schöpfungshöhe“, „Werkhöhe“ oder „Gestaltungshöhe“). Es soll nicht jeder Trivialtext (so z.B. eine nur an Fakten orientierte kurze Produktbeschreibung) den Schutz des Urheberrechts genießen können. Daher fordert das Urheberrecht entweder eine durch die individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung oder eine individuelle Auswahl oder Darstellung des Inhalts. Insbesondere bei sogenannten Gebrauchstexten sind die Anforderungen an die Schöpfungshöhe besonders hoch. Gebrauchstexte sind Schriftwerke, die einen im Wesentlichen sachbezogenen Inhalt haben. Das trifft beispielsweise auf Bedienungsanleitungen, Produktbeschreibungen oder einfache Vertragsmuster zu. Für solche Texte fordert die Rechtsprechung ein ganz erhebliches Maß an Individualität, bevor ein Urheberrechtsschutz zuerkannt wird. Nicht schutzfähig ist beispielsweise in der Regel auch eine reine Aneinanderreihung von Tatsachen (z.B. eine stichpunktartige Biografie oder eine chronologische Aufstellung), denn es fehlt am schöpferischen Gehalt. Wird ein solcher Faktentext durch eine besonders individuelle sprachliche Gestaltung schutzfähig, beschränkt sich der Schutz auf die besondere Gestaltung und erstreckt sich gerade nicht auf den eigentlichen Sachinhalt. Kurzum: das Urheberrecht belohnt Kreativität, nicht Fleiss.
Daher kann ein gut gedichteter „Limerick“ schneller Urheberrechtsschutz erlangen als eine seitenlange, aber durch technische Vorgaben bestimmte Anleitung. Werbeslogans sind hingegen in der Regel zu kurz, um Urheberrechtsschutz erlangen zu können. Außerdem bleiben sie schutzlos, wenn sie nicht mehr als die üblichen Anpreisungen und die werbemäßige Aufforderung nicht hinausgehen, wie z. B. der für eine Sportveranstaltung benutzte Slogan „Das aufregendste Ereignis des Jahres“ (OLG Frankfurt GRUR 1987, 44 – WM-Slogan). Auch der Liedzeile „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn“ verweigerte das Oberlandesgericht Düsseldorf den Urheberrechtsschutz. Eine besonders fantasievolle und bildhafte Gestaltung eines Slogans kann aber auch solchen kurzen Texten die notwendige Schöpfungshöhe verschaffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bejahte dies z.B. für den Slogan „Ein Himmelbett als Handgepäck“, mit welchem für Schlafsäcke geworben wurde. Bei längeren Werbetexten oder bei dem Textinhalt ganzer Werbeprospekte kommt Urheberrechtsschutz eher in Betracht, weil der Verfasser hier mehr Kreativität an den Tag legen kann als bei einer einzigen Zeile.
Keine starre Beurteilung sondern Frage des Einzelfalls
Die Frage der Schöpfungshöhe kann nicht generell und mit statischen Regeln stets und allgemeingültig beantwortet werden. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein Text Urheberrechtsschutz genießt. Bei literarischen Werken wird dies in den allermeisten Fällen zu bejahen sein. Bei anderen Texten sind alle wesentlichen Faktoren (beispielsweise auch, welchen Inhalt vergleichbare Texte für ähnliche Verwendungszwecke haben) zu berücksichtigen.
Ansprüche und Rechte des Urhebers
Hat ein Sprachwerk die Hürde der Schöpfungshöhe erfolgreich gemeistert, verschafft es seinem Urheber umfangreiche Ansprüche und Rechte. Das Werk darf nur mit Zustimmung des Urhebers verwertet werden. Der Urheber kann entscheiden, ob das Werk vervielfältigt, öffentlich wiedergegeben oder zugänglich gemacht, verbreitet oder gar bearbeitet werden darf. Wer das Werk solcherart ohne Zustimmung des Urhebers verwertet, setzt sich Unterlassungsansprüchen sowie Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz aus. Urheber ist, wer das Werk geschaffen hat. Auch mehrere Personen können gemeinsam Urheber werden.
Copyright-Zeichen – notwendig?
Wichtig: das Urheberrecht entsteht mit der Schöpfung und muss nicht registriert werden. Das berühmte © (Copyright-Zeichen) kann ein Indiz für ein urheberrechtlich geschütztes Werk sein. Fehlt das Zeichen, heisst dies aber keinesfalls, dass der Text übernommen werden darf. Eine besondere Kennzeichnung von urheberrechtlich geschützten Werken ist nicht notwendig. Das Risiko einer Rechtsverletzung soll derjenige tragen, der fremde Leistungen übernimmt.
Auch Teile von Werken können geschützt sein
Das gilt übrigens auch dann, wenn nicht das gesamte Werk verwertet wird. Denn das Urheberrecht schützt auch Teile von Werken, solange dieser Teil selbstständig Urheberrecht genießt. Daher kann auch die Übernahme einer sprachlich eigenständigen Textpassage eine Urheberrechtsverletzung sein. Das gilt nicht nur für Doktorarbeiten sondern auch für Internetseiten.
Ausnahme: Zitatrecht
Eine Ausnahme von dem Verwertungsrecht des Urhebers stellt das Zitatrecht dar. Nach § 51 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) darf beispielsweise ein schutzfähiger Teil eines Schriftwerkes in einem anderen Werk wiedergegeben werden, wenn die Übernahme als Zitat gekennzeichnet ist, der Urheber genannt ist und die Wiedergabe im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Textstelle erfolgt oder aus anderen wissenschaftlichen Gründen notwendig ist.
Verhindert eine Umarbeitung die Rechtsverletzung?
Vorsicht ist bei Bearbeitungen geboten. Wer einen fremden Text übernimmt und einfach nur ein wenig „umschreibt“, kommt damit noch lange nicht an einer Urheberrechtsverletzung vorbei. Ist der schöpferische Gehalt (also das „Besondere“, was das ursprüngliche Werk kennzeichnet) des ursprünglichen Werkes nach der Bearbeitung noch vorhanden, liegt dennoch eine rechtswidrige Auswertung vor. Diese rechtswidrige Verwertung wird allerdings aufgrund der vorangegangenen Bearbeitung und der unterlassenen Urheberbenennung (§ 13 UrhG bestimmt, dass der Urheber bei der Verwertung eines Werkes zu benennen ist) umso schwerer. Das kommt beispielsweise beim Streitwert der Abmahnung/einstweiligen Verfügung zum tragen.
Zu guter Letzt: Wer ist der beste Ghostwriter?
Wer besonders gut im Erschaffen neuer Textkreationen ist, kann mit dieser Gabe Geld verdienen. Das tun natürlich insbesondere Autoren, Journalisten oder Werbetexter. Aber auch Ghostwriter bieten ihre Dienste und ihr Können an, um für Dritte Texte zu gestalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte jüngst in einem besonders kuriosen Unterlassungsverfahren zu entscheiden, ob ein Ghostwriter gar auf seiner Internetseite damit werben darf, er sei „einer der Marktführer“ im Bereich des „wissenschaftlichen Ghostwritings“. Der Beklagte hatte auf seiner Internetseite beispielsweise das Verfassen von Dissertationen (auch „Doktorarbeit“ genannt) je nach Umfang für zwischen 10.000 € und 20.000 € angeboten. Die Arbeiten sollten dabei freilich „nur zu Übungszwecken“ dienen. Der Kläger, ebenfalls Ghostwriter, fand die Selbstbeschreibung des Beklagten als „Marktführer“ wettbewerbswidrig: Der Beklagte gehöre weder nach Umsatz noch nach seinem Angebot zur Spitzengruppe. Es läge daher eine Irreführung vor.
Das Gericht gab dem Kläger recht – allerdings mit eigener Begründung: Der Beklagte könne schon deshalb nicht zu den Marktführern des wissenschaftlichen Ghostwritings gehören, weil er ausschließlich verbotene Dienstleistungen anbiete, nämlich das Schreiben von Abschlussarbeiten zum Erwerb akademischer Grade für Dritte. Für eine derartige „Mogelei“ könne es auch keine berechtigte Marktführerschaft geben. Der Hinweis der Beklagten, er schreibe solche Texte „nur zu Übungszwecken“, ändere daran nichts. Es sei lebensfremd, dass jemand mehr als 10.000 € für einen bloßen Übungstext zahle. Wer die obigen Grundsätze berücksichtigt, das Zitatrecht richtig anwendet und keine Rechte Dritter verletzt, kann auch ohne Ghostwriter zumindest eine rechtmäßige Doktorarbeit verfassen. Die inhaltliche Qualität trennt dann – wie so oft – die Spreu von Weizen.
Sie sind Wissenschaftler, Autor, Journalist oder in anderer Weise schriftlich die ? Sie möchten wissen, ob und wie ein Werbeslogan besser geschützt werden kann? Sie möchten oder müssen fremde Texte nutzen und wollen dies ohne das Risiko von Abmahnungen oder gerichtlichen Streitigkeiten bewerkstelligen? Sie wollen sich gegen den Diebstahl Ihrer en Leistung wehren?
BBS berät, vertritt und begleitet Kreative und Verwerter im Textbereich, beispielsweise Autoren, Verlage und Agenturen. Mit Rat und Tat stehen wir Ihnen bei allen Fragen des geistigen Eigentums zur Seite. Was können wir für Sie tun?