Der Schutz von Datenbanken in der Praxis

Die Zusammenfassung, Systematisierung und Katalogisierung von Daten ist in der modernen, elektronisch geprägten Informationswelt eine nicht hinweg zu denkende Leistung. Nur durch Datenbanken kann Ordnung in die Informationsflut gebracht werden. In rechtlicher Hinsicht stellt sich natürlich die Frage, was unter einer Datenbank zu verstehen ist und welchen Schutz derjenige genießt, der die Datenbank hergestellt hat.

Unter einer Datenbank im Sinne des Urheberrechtsgesetzes ist ein Sammelwerk zu verstehen, dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind (§ 4 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz – UrhG). Der Schutz, den das Urheberrechtsgesetz für solche Datenbanken bereithält, ist abhängig davon, wie die jeweilige Datenbank weiter ausgestaltet ist.

In den Genuss des regulären Urheberrechtsschutzes kommen solche Datenbanken, bei denen die Auswahl bzw. die Anordnung der einzelnen darin aufgenommenen Elemente eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Insoweit ist entscheidend, dass sich in Auswahl oder Anordnung ein geistiger Gehalt manifestiert, der über die bloße Summe der Inhalte der einzelnen Elemente hinausgeht. Erfüllt die Datenbank diese Anforderungen, so stehen dem Datenbankhersteller die Rechte eines jeden Urhebers zu, also vor allem das Recht, das Werk zu verwerten, sei es durch Vervielfältigung, Verbreitung oder Ausstellung, vgl. §§ 15 ff. UrhG. Im Falle einer Verletzung dieser Rechte kann der Urheber unter anderem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach den §§ 96, 97 ff. UrhG gegen den Verletzer geltend machen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Anerkennung eines Urheberrechts an der Datenbank nicht zur Folge hat, dass etwaige Rechte Dritter an den einzelnen Datenbankbestandteilen erlöschen. Auch letzteren stehen also die genannten Urheberrechte weiter zu.

Liegt eine persönlich-geistige Schöpfung nicht vor, so genießt die Datenbank dennoch Schutz durch die §§ 87 a ff. UrhG, sofern die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der in der Datenbank enthaltenen Daten eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordert. Hierauf kann sich derjenige berufen, der die Investitionen vorgenommen hat. Er gilt als Datenbankhersteller im Sinne der § 87 a ff. UrhG. Inhaltlich besteht der Schutz in einem ausschließlichen Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe der gesamten Datenbank sowie wesentlicher Teile einer geschützten Datenbank oder auch unwesentlicher Teile, in letzterem Fall vorausgesetzt, die Übernahme erfolgt systematisch und wiederholt und läuft einer normalen Auswertung der Datenbank zuwider oder beeinträchtigt berechtigte Interessen des Datenbankherstellers auf unzumutbare Weise.

Der Schutz von Datenbanken nach dem Urheberrechtsgesetz wird allerdings begrenzt durch die speziell auf Datenbanken zugeschnittenen Schrankenbestimmungen des Urheberrechts. So ist beispielsweise nach § 87 c UrhG eine Vervielfältigung der Datenbank zum privaten Gebrauch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Neben dem Schutz von Datenbanken nach dem Urheberrechtsgesetz kann auch ein Schutz durch das Wettbewerbsrecht bestehen.

Neue Entscheidung des hanseatischen Oberlandesgerichts

Einen weiteren Beitrag zu den Rechten an einer Datenbank lieferte jüngst das hanseatische Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 18.08.2010 (Az. 5 U 62/09). Die Ausgangslage der Entscheidung entsprach dabei dem Sachverhalt vergleichbarer Fälle: insbesondere Online-Anbieter stellen mit erheblichem Aufwand (den freilich teilweise auch die Nutzer leisten) thematisch sortierte und durchsuchbare Informationssammlungen bereit. Ein Dritter greift auf den Datenbestand eines oder mehrerer dieser Angebote zu, um ein eigenes Produkt unter Verwendung dieser Datenbestände anzubieten. Zu Recht?

Hintergrund des Falles

All jene, die schon einmal ein Automobil online erstehen wollten, wissen, dass es eine Vielzahl entsprechender Online-Automobilbörsen mit einer schier unbegrenzten Anzahl von Angeboten gibt. Um die Suche zu erleichtern, ersannen einige Programmierer die Software „AUTOBINGOOO“, die in einem automatisierten Verfahren Online-Automobilbörsen in der Weise durchsucht, dass der Softwarenutzer die Verkaufsanzeigen ohne Besuch der einzelnen Online-Automobilbörsen nutzen kann (also quasi eine als installationsbedürftige Software gestaltete Meta-Suchmaschine für Online-KFZ-Angebote). Hierzu wählt der Nutzer in einer Eingabemaske die zu durchsuchenden Börsen aus und gibt die Suchkriterien ein (z.B. Marke, Modell, Farbe, Preis usw.). Die Software übernimmt sodann die Recherche in den jeweils gewählten Automobilbörsen. Das kann manuell oder in vom Nutzer vorgegebenen Zeitintervallen erfolgen. Als Ergebnis der Suche erhält der Nutzer eine Aufstellung der seinen Suchkriterien entsprechenden Fahrzeuge angezeigt, geordnet nach Modell, Erstzulassung, Preis, Kilometerstand und Automobilbörse. Bei Markierung eines Fahrzeuges erscheint neben dieser Liste ein Fenster mit weiteren Details zu dem gewählten Fahrzeug, einer Abbildung und der Angabe des Wohnorts und der Telefonnummer des Verkäufers, wobei sämtliche Daten in dem Detail-Fenster von der jeweiligen Automobilbörse stammen. Zudem besteht für den User die Möglichkeit, durch Anklicken eines Links zur Originalseite der jeweiligen Automobilbörse zu gelangen. Hier können die Nutzer dann detailliertere Informationen abfragen bzw. einsehen.

Gegen den Vertrieb dieser Software wendete sich die Klägerin, die u. a. unter der Internetadresse „autoscout24.de“ eine Automobil-Onlinebörse betreibt, vor dem Hanseatischen OLG. Die Klägerin berief sich auf eine Verletzung ihres Datenbankherstellerrechts aus den §§ 87 a ff. UrhG und machte zudem eine Wettbewerbsverletzung geltend.

Keine Rechtsverletzung durch Metasuch-Software

Im Mittelpunkt der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts stand also die Frage, ob es verboten ist, eine Software anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, die dazu bestimmt oder geeignet ist, automatisiert Daten aus der unter verschiedenen Domains mit dem Bestandteil „autoscout“ erreichbaren Automobil-Onlinebörse der Klägerin zu entnehmen. Zunächst nahm das OLG an, dass die u.a. unter der Domain „autoscout24.de“ erreichbare Automobil-Onlinebörse der Klägerin als eine nach § 87 a UrhG geschützte Datenbank anzusehen sei, da die in der Börse enthaltenen Daten, also die Informationen zu den jeweiligen Fahrzeugen, systematisch und methodisch geordnet seien. Für das OLG stellte sich somit in einem zweiten Schritt die Frage, ob die Klägerin durch den Software-Vertrieb in ihrem Datenbankherstellerrecht aus den §§ 87 a ff. UrhG verletzt wurde, was das OLG im Ergebnis verneinte.

Keine Vervielfältigung wesentlicher Teile

Insoweit war zum einen fraglich, ob hier eine den Beklagten zurechenbare Vervielfältigung der Datenbank insgesamt durch Nutzer der Software gegeben war. Dies negierte das Gericht unter Hinweis darauf, dass bei einer Verwendung der Software eine Eingrenzung der Suchabfrage zumindest durch die Kriterien „Marke“ und „Modell“ erfolge.

Zum anderen war seitens des OLG zu klären, ob zumindest eine Vervielfältigung eines wesentlichen Teils der Datenbank durch die Software-Nutzer anzunehmen war, wobei insoweit ein wesentlicher Teil des in der Datenbank vorhandenen Gesamtdatenvolumens gemeint ist. Auch dies verneinte das OLG und führte aus, dass für das Vervielfältigen eines nach Umfang wesentlichen Teils der Datenbank nicht ausreichend sei, dass die gesamte oder wesentliche Teile der Datenbank der Klägerin bei über die Software gestarteten Suchanfragen ausgelesen werden, sofern wie im vorliegenden Fall die im Internet bereit gehaltene Datenbank der Klägerin zum Zwecke des Auslesens nicht in dem Arbeitsspeicher des jeweiligen Nutzers zwischengespeichert werden muss.

Weiter sah das OLG auch die Entnahme eines „qualitativ wesentlichen Teils“ als nicht gegeben an. Unter diesem Begriff ist der Umfang der mit der Beschaffung, der Überprüfung oder der Darstellung des Inhalts des Gegenstands der Entnahme- und/oder Weiterverwendungshandlung verbundenen Investition zu verstehen, und zwar unabhängig davon, ob dieser Gegenstand einen quantitativ wesentlichen Teil des allgemeinen Inhalts der geschützten Datenbank darstellt. Ein quantitativ geringfügiger Teil des Inhalts einer Datenbank kann nämlich, was die Beschaffung, die Überprüfung oder die Darstellung angeht, eine ganz erhebliche menschliche, technische oder finanzielle Investition erfordern. Die Frage, ob die Entnahme eines qualitativ wesentlichen Teils anzunehmen ist oder nicht, stellte sich auch im vom BGH entschiedenen Fall „Elektronischer Zolltarif“ (vgl. BGH GRUR 09, 852). Dort ging es um die Zusammenfassung von Tarifen und Daten für die elektronische Zollanmeldung in der EU. Der BGH war in seinem Urteil der Meinung, dass die streitgegenständliche Datenbank nur dann sinnvoll genutzt werden konnte, wenn sie ständig auf dem neuesten Stand gehalten wurde. Gerade die Aktualisierungen verkörperten nach Auffassung des BGH den Wert der Datenbank und stellten damit einen „qualitativ wesentlichen Teil“ derselben dar. Zudem diente auch ein erheblicher Teil der für die Darstellung der Datenbank aufgewendeten Personalkosten dazu, diese Aktualisierungen vorzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des BGH sprach das OLG hier den Daten auf der klägerischen Datenbank nicht den Status „qualitativ wesentlich“ zu und begründete dies zunächst damit, dass jedes in der Automobilbörse der Klägerin abrufbare Angebot eines Fahrzeugs für sich stehe und nicht dadurch wertlos oder für den Nutzer unbrauchbar werde, dass zeitlich später ein weiteres Angebot eines vergleichbaren Fahrzeugs eines anderen Verkäufers in die Datenbank aufgenommen wird. Auch dass für die Einpflege der neuen Daten wie im „Zolltarif“-Fall besondere Kosten anfallen, habe die Klägerin nicht vorgetragen.

Keine Verletzung berechtigter Interessen

Eine Verletzung des Datenbankherstellerrechts durch die Verwendung der Software AUTOBINGOOO ließ sich nach den Ausführungen des OLG auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die normale Auswertung der Datenbank bzw. aus der Annahme einer Verletzung berechtigter Interessen herleiten. Zwar nahm das OLG an, dass Nutzer, die die Software im automatisierten Verfahren verwenden, wiederholt und systematisch auf die Datenbank der Klägerin zugreifen und zumindest unwesentliche Teile der Datenbank vervielfältigen. Eine Rechtsverletzung sei aber nur gegeben, wenn die Nutzer der Software durch die automatisierte Suchanfrage in ihrer kumulativen Wirkung – also gewissermaßen nach und nach – einen in der Summe wesentlichen Teil der Datenbank der Klägerin entnehmen. Dies vermochte das OLG nicht zu erkennen, selbst wenn ein Teil der Nutzer mehrere Suchanfragen parallel im automatisierten Verfahren in Gang setzen würden. Eine sinnvolle und lebensnahe Nutzung der Software gebiete nämlich – so das OLG – eine Eingrenzung der Suchanfragen durch Bestimmung ausreichender Suchkriterien.

Darüber hinaus seien die Begriffe „Verletzung der normalen Auswertung“ und „unzumutbare Beeinträchtigung berechtigter Interessen“ eng auszulegen, da das Urheberrechtsgesetz vorsieht, dass unwesentliche Teile einer Datenbank grundsätzlich frei sind, wodurch der Grundsatz gewährleistet sein soll, dass Informationen als solche nicht monopolisiert werden können. In diesem Zusammenhang führte das OLG aus, dass die Klägerin ihre Automobilbörse frei zugänglich ins Internet stellt. Auch werden die von der Software AUTOBINGOOO entnommenen Daten, abgesehen von der unterschiedlichen Aufbereitung, inhaltlich nicht verändert, sondern so genutzt, wie sie von der Klägerin ins Netz gestellt werden. Schließlich seien für eine Nutzung der über das Internet zugänglichen Daten Suchmaschinen und Suchdienste üblich und unverzichtbar geworden. Vor diesem Hintergrund liege eine normale und auch rechtlich anzuerkennende Auswertungsform für die Datennutzung vor. Schließlich spreche gegen die Annahme einer „Verletzung der normalen Auswertung“, dass die Datenbank der Klägerin durch den Software-Vertrieb nicht vollständig substituiert werde, sondern sogar die Möglichkeit bestehe, dass ein Teil der Nutzer dann, wenn bei den Suchergebnissen ein interessantes Angebot auftaucht, mittels des angebotenen Links auf die Datenbank der Klägerin direkt zugreifen, um weitere Fotos des angebotenen Fahrzeugs anschauen oder für den Fall der telefonischen Abstinenz des Verkäufers dessen E-Mail-Adresse in Erfahrung bringen zu können.

Gegen die Annahme einer „unzumutbaren Beeinträchtigung berechtigter Interessen“ der Klägerin sprach aus Sicht des OLG, dass die Art und Weise der Nutzung der klägerischen Datenbank durch die Nutzer der Software AUTOBINGOOO hier nicht geeignet war, die wirtschaftliche Verwertung der Datenbank durch die Klägerin zu gefährden, wobei eine bloße Schmälerung des Verwertungsgewinns nicht genügt. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass durch die Software AUTOBINGOOO der Klägerin auch Kunden zugeführt werden können, die durch die Software auf das Angebot der Klägerin überhaupt erst aufmerksam gemacht werden.

Schließlich verneinte das OLG auch einen Verstoß gegen die Regelungen des UWG. Eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin durch die Beklagten liege nur dann vor, wenn das Angebot, die Bewerbung und das Inverkehrbringen der Software AUTOBINGOOO als eine Maßnahme angesehen werden könnte, die bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht in erster Linie auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet sei. Diese Voraussetzungen konnte das OLG hier nicht bejahen, da die Beklagten-Software einer schnelleren Auffindbarkeit und besseren Nutzung der bei der Klägerin eingestellten Verkaufsangebote diene und damit nicht auf eine Störung der wettbewerblichen Entfaltung der Klägerin abziele, sondern gerade auf dem Angebot der Klägerin und dessen Funktionsfähigkeit aufbaue.

Auch Importfunktion keine Rechtsverletzung

Die Entscheidung des hanseatischen Oberlandesgerichts steht in der Tradition weiterer Gerichtsentscheidungen, die den Datenbankschutz einschränkend beurteilt haben. So entschied beispielsweise der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 3. 11. 2005 – I ZR 311/02), dass der Verleger eines als Buch und als CD-Rom erschienenen Briefmarkenkatalogs einem Konkurrenten nicht verbieten kann, eine Katalogsoftware mit einer Importfunktion für aus Katalog des Datenbank-Inhabers generierte Briefmarkenlisten anzubieten. Nach Einschätzung des Bundesgerichtshofs bewertet dabei von den Nutzern nicht in urheberrechtlich relevanter Weise in das Recht an der Datenbank angegriffen. Darüber hinaus habe die Definition der Felder des Katalogs keine für einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz notwendige wettbewerbliche Eigenart. Selbst wenn man eine solche Eigenart bejahen wolle, bestünde kein Unterlassungsanspruch. Der Bundesgerichtshof meinte dazu, dass die Nutzer des Katalogprogramms nicht im geschäftlichen Verkehr handelten, was aber für wettbewerbsrechtliche Ansprüche notwendig ist. Der Konkurrent des Datenbankinhabers habe seinen Nutzern lediglich ermöglicht, die bereits vorhandenen Ordnungsnummern in die Kataloglisten der Software des Konkurrenten einzutragen. Damit würde keine Herkunftstäuschung bewirkt.

Die vorgenannten Entscheidungen zeigen, dass die grundsätzlich weit reichenden Rechte des Datenbankinhabers insbesondere dort ihre urheberrechtlichen Grenzen finden, wo nur einzelne Merkmale oder Bestandteile der Datenbank genutzt, aber nicht unmittelbar übernommen werden.

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