Datenschutzrecht: Klagerecht für Abmahnvereine soll kommen
Datenschutzrecht: Eine Exotendomäne?
Als praxisorientierter Berater und Experte im Datenschutzrecht konnte ich bislang bei Unternehmen häufig eine recht verbreitete Einschätzung zu diesem Rechtsbereich antreffen: für nicht wenige Mittelständler und auch größere Unternehmen ist der Datenschutz ein lästiges und kurioses Nebengebiet. „Datenschutzrechtler“ werden mitunter als kuriose „Freaks“ angesehen, die insbesondere den operativen Entscheidern sowie den Werbe- und Marketingabteilungen mit realitätsfremdem Anspruchsdenken auf die Nerven fallen. Datenschutzrechtliche Vorschriften wurden dementsprechend bislang oft als Soll-Vorschriften angesehen. Sie waren wurde mitunter allenfalls als moralische Leitlinie, aber weniger als integrale Compliance-Anforderung für die Gestaltung der eigenen Geschäftsprozesse wahrgenommen. Dies hatte auch eine Ursache: Verfahren der Aufsichtsbehörden und insbesondere spürbare Folgen waren eher eine Seltenheit. Dies liegt mitunter an der Komplexität datenschutzrechtlicher Vorschriften, viel häufiger wohl aber auch an der für eine effektive Aufsicht häufig viel zu geringen Personalausstattung der Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus lag der Fokus häufig auf der Datenschutzpraxis großer IT-Anbieter wie beispielsweise Google & Co. KMU hatten häufig nicht ganz zu Unrecht die Wahrnehmung, in dieser Hinsicht einmal nicht zum eigenen Nachteil „unter dem Radar“ zu fliegen.
Bislang überschaubares Risiko
Für ein wenig mehr Nervosität sorgte unlängst der Schwenk einiger Gerichte, die das Datenschutzrecht zum Ansatzpunkt für wettbewerbsrechtliche Ansprüche erklärt haben. Während zunächst noch beispielsweise das Kammergericht Berlin (Entscheidung zum Facebook-Button, Beschluss vom 29. 4. 2011 – 5 W 88/11) und das Landgericht München (zur Frage der Nutzung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke; Urt. v. 12.?1. 2012 – 29 U 3926/11) die Ansicht vertreten haben, dass datenschutzrechtliche Rechtsverstöße ausschließlich zu Ansprüchen des jeweiligen Betroffenen, nicht jedoch zu wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen führen, hat sich dies mittlerweile nahezu durchgehend verändert. So haben beispielsweise das Kammergericht Berlin (zu einer datenschutzwidrigen Freunde-finden-Funktion von Facebook; KG: Urteil vom 24.01.2014 – 5 U 42/12), aber auch das Landgericht Hamburg (zur Frage von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen bei Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen Datenschutzerklärung auf Internetseiten; LG Hamburg, Urteil vom 27.06.2013 – 3 U 26/12) und auch das Oberlandesgericht Karlsruhe (Zur Frage von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen bei datenschutzwidriger Kunden-Reaktivierung; Urt. v. 9.5. 2012 – 6 U 38/11) entschieden, dass das Datenschutzrecht so genannte Marktverhaltensregeln enthält. Marktverhaltensregeln sind solche Normen, bei denen Verstöße gegen die gesetzliche Vorschrift gleichzeitig über § 4 Nr. 11 UWG als Wettbewerbsverstöße verfolgt werden können. Zu deutsch: es kann nicht nur der datenschutzrechtliche Betroffene Ansprüche wegen einer Rechtsverletzung erheben. Vielmehr drohen auch Abmahnungen, einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen von Wettbewerbern. Allerdings: da das Datenschutzrecht, ganz im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten mit gleicher praktischer Relevanz, eher als abstraktes Nebengebiet aufgefasst wurde, hielt sich auch die „Angriffslust“ der Wettbewerber in verhältnismäßig engen Grenzen. Schließlich musste jeder, der einen Wettbewerber wegen Datenschutzverstößen abmahnt auch damit rechnen, für eigene nicht ganz unwahrscheinliche Verstöße zur Rechenschaft gezogen zu werden. Aus Furcht vor einem derartigen „Bumerang-Effekt“ waren wettbewerbsrechtliche Verfahren in Bezug auf datenschutzrechtliche Vorschriften in der Praxis eher selten. Hier stellen gegenwärtig jedenfalls noch die „Klassiker“ des Verbraucherrechts, beispielsweise Information- und Hinweispflichten, Musterbelehrungen und natürlich vor allem allgemeine Geschäftsbedingungen sowie Irreführungstatbestände die in der Praxis des Verfassers häufigsten Ansatzpunkte für wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen dar.
Das kann sich nun dramatisch ändern.
Änderung des Unterlassungsklagengesetzes: Klagerecht für Abmahnvereine und Wettbewerbsverbände
Denn nach dem Willen der Bundesregierung sollen künftig nicht nur Wettbewerber, sondern vor allem auch Verbraucherschutzverbände und Abmahnvereine gegen Datenschutzverstöße vorgehen können. Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen Entwurf zur Änderung des Unterlassungsklagengesetzes verabschiedet. Danach sollen künftig Datenschutzverletzungen auch durch Verbraucherverbände und Abmahnvereine abgemahnt werden können. Der verabschiedete Entwurf enthält einige Abmilderungen zur ursprünglichen Fassung des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. Allerdings wird die Novelle im (höchst wahrscheinlichen) Fall der Verabschiedung als Gesetz dennoch weitreichende Folgen haben.
Künftig sollen durch einen neuen § 2 Abs. 2 Nr. 11 Unterlassungsklagengesetzes-E (UKlaG-E) ein Verbraucherschutzverband oder ein Abmahnverein auch gegen die rechtswidrige Erhebung und Verwendung von personenbezogenen Verbraucherdaten durch Unternehmen vorgehen können. Diese sogenannte Aktivlegitimation besteht, wenn diese Verbraucherdaten zu Werbe, Markt- und Meinungsforschungs-, Auskunftei- und Daten/-Adresshandelszwecken oder zur Erstellung von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen verwendet werden.
Mit dem Gesetzentwurf soll gleichzeitig vermieden werden, dass die im Datenschutzrecht beispielsweise zur Überprüfung von Entscheidungen der Datenschutz-Aufsichtsbehörden (jene erlassen Verwaltungsakte, beispielsweise mit der Verhängung von Bußgeldern oder mit der Anordnung der Einstellung einer bestimmten Datenverarbeitung) zuständigen Verwaltungsgerichte Entscheidungen fällen, die im Widerspruch zu den im Wettbewerbsrecht zuständigen Zivilgerichten stehen. So soll bei Verbandsklagen in Bezug auf Datenschutz-Verstöße Künftig die jeweilige Aufsichtsbehörde gehört werden. Wenn das Gesetz zustande kommt, soll es nach Ablauf von sechs Monaten in Kraft treten. Dies könnte zu einer erheblichen Veränderung der wettbewerbsrechtlichen Schwerpunkte führen. Anders als Wettbewerbsunternehmen müssen nämlich Verbraucherschutzverbände oder Wettbewerbsverbände nicht damit rechnen, im Falle einer Abmahnung für eigene vergleichbare Rechtsverstöße zur Verantwortung gezogen zu werden.
Mehr Rechtsunsicherheit für Unternehmen
Die Gesetzesnovelle dürfte bei Datenschützern auf große Zustimmung treffen. Als Rechtsanwälte sehen wir dieses Vorhaben kritisch. Das Datenschutzrecht und das Wettbewerbsrecht sind in hohem Maße durch auslegungsfähige Tatbestände und Rechtsbegriffe geprägt. Praxis und Maßstäbe der Auslegung unterscheiden sich jedoch nicht unerheblich. So ist der im neuen Gesetzesentwurf vorgesehene Begriff der Werbung datenschutzrechtlich häufig etwas enger auszulegen als im Wettbewerbsrecht. Der Begriff der Werbung umfasst im Wettbewerbsrecht jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Der Werbebegriff im Sinne des § 28 Abs. 3 BDSG wird hingegen in der Praxis häufig zielorientierter ausgelegt. Gerade das deutsche Datenschutzrecht ist durch einen recht hohen Anspruch geprägt, wohingegen das deutsche Wettbewerbsrecht sich durch mitunter drastische praktische und monetäre Folgen kleinster Verstöße auszeichnet. Für Unternehmen eine gefährliche Kombination.
Jetzt vorsorgen und Nachteile vermeiden
Es ist nur zu hoffen, dass eine europaweite Harmonisierung des Datenschutzrechts mit klaren und nachvollziehbaren Bestimmungen für mehr Rechtssicherheit und Waffengleichheit sorgen kann und wird. Einstweilen sind Unternehmer jedoch gut beraten, ihre Positionierung im Bereich Datenschutz sorgfältig zu prüfen.
Entsprechen Ihre Geschäftsprozesse dem geltenden Datenschutzrecht? Wollen Sie riskieren, für Kundengewinnungspraktiken zu Unterlassung gezwungen zu werden? Häufig sind die Einschränkungen der eigenen Markt-Möglichkeiten deutlich schwerwiegender als die ohnehin im Wettbewerbsrecht häufig nicht zu verachtenden Kosten der Auseinandersetzung selbst. Datenschutzrechtliche Bestimmungen sollten daher integraler Bestandteil der Werbestrategie sein.Denn nur wer hier das Risiko wettbewerbsrechtlicher Auseinandersetzungen kennt, kann auf Basis sachlich zutreffender verglichen informierte Abwägungen vornehmen und Entscheidungen treffen.
Wir stehen Ihnen hierbei gerne zur Seite. BBS Rechtsanwälte ist nicht nur im Datenschutzrecht, sondern insbesondere auch auf dem heiklen Gebiet des Wettbewerbsrechts Ihr erfahrener und zuverlässiger Begleiter. Wir erarbeiten mit Ihnen praxisgerechte Konzepte und die notwendigen Maßnahmen zur Absicherung Ihres Erfolgs. Welche Risiken gehen Sie ein? Welche Kosten drohen? Sind neben Kosten- und Prozessrisiken möglicherweise ganz andere Faktoren zu berücksichtigen, die über den Ärger einer Abmahnung oder eines gerichtlichen Verfahrens hinaus weitreichende Konsequenzen für die künftige Werbestrategie haben? Hierfür benötigen Entscheider praxisgerechten Expertenrat. Sprechen Sie uns an. Wir sind gerne für Sie da!