KI-generierte Stimme verletzt Persönlichkeitsrecht: LG Berlin spricht Synchronsprecher fiktive Lizenzgebühr iHv. 4.000 € für Voice-Cloning/Audio-Deepfake zu

Ein YouTuber muss 4.000 € an einen bekannten Synchronsprecher zahlen, weil er dessen Stimme mittels KI geklont hat – so hat das Landgericht Berlin entschieden (Urteil vom 20.08.2025, Az. 2 O 202/24 im Volltext). Der Beklagte ist Betreiber eines YouTube Kanals mit zum Zeitpunkt des Urteils 190.000 Abonnenten und Betreiber eines Online-Shops. Er hatte in zwei satirischen YouTube-Videos eine KI-generierte Stimme verwendet, die der markanten deutschen Stimme eines Hollywood-Stars (Bruce Willis’ Synchronsprecher Man­fred Leh­mann) täuschend ähnlich klang – jedoch ohne die Einwilligung des Sprechers. Das Gericht sah in dem Soundalike einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers (Recht an der eigenen Stimme) und verurteilte den YouTuber zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr von insgesamt 4.000 € sowie zur Erstattung der Anwaltskosten des Klägers.

KI-imitierte Stimme als Persönlichkeitsrechtsverletzung

Der Synchronsprecher genießt wie eine prominente Person Schutz seiner Stimme. In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht an der eigenen Stimme umfasst. Dies hat beispielweise das Hanseatische Oberlandesgericht im vergleichbaren Fall der Nachahmung der Stimme eines verstorbenen Komikers durch einen Stimmenimitator so entschieden (OLG Hamburg, Beschluss vom 08.05.1989 – 3 W 45/89 – „Heinz Erhard“). Der beklagte YouTuber versuchte sich vergeblich mit dem Einwand zu verteidigen, er habe bei der Gestaltung der Videos für die Vertonung (voiceover) einfach eine authentische Stimme mit heldenhaftem Klang wählen wollen und die ihm von der Kl-Software vorgeschlagene synthetische Imitation einer Stimme genutzt. Das Landgericht Berlin machte in diesem Zusammenhang klar, dass es für die rechtliche Bewertung keinen Unterschied macht, ob es sich um die echte Stimme des Klägers handelt, oder lediglich um eine computergenerierte Nachahmung. Entscheidend sei, dass ein erheblicher Teil des Publikums die Stimme dem Kläger zugeordnet hat, was sich nach der Ansicht des Gerichts in dem zu entscheidenden Fall bereits aus den vorgelegten Kommentaren zu den Videos ergab, in denen sogar der Name des Klägers genannt wurde. Viele Zuschauer der Videos erkannten bzw. vermuteten die bekannte Stimme des Sprechers und gingen davon aus, er habe den Kommentar selbst eingesprochen. Durch diese bewusst herbeigeführte Ähnlichkeit entstand eine “Zuordnungsverwirrung” – sprich, die Zuschauer konnten glauben, der echte Sprecher habe mitgewirkt. Damit wurde ohne Erlaubnis das persönlichkeitsrechtlich geschützte Merkmal der eigenen Stimme für fremde Zwecke ausgenutzt.

Keine Rechtfertigung durch Satire, KI-Softwarelizenz oder Datenschutz, schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung

Der Beklagte berief sich vergeblich auf Meinungsfreiheit/Kunstfreiheit: Zwar ist es grundsätzlich anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein sog. Rahmenrecht keinen völlig unbeschränkten Schutz gewährt. Seine Reichweite liegt nicht absolut fest, sondern muss in jedem Einzelfall durch eine Abwägung der betroffenen widerstreitenden Grundrechte – wie beispielweise das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 GG – bestimmt werden. In diesem Zusammenhang erkannte das Gericht in den Videos auch einen gewissen satirischen Inhalt (politische Satire über die Bundesregierung), der grundsätzlich dem Schutzbereich der genannten Grundrechte unterfällt. Nach der Ansicht des Gerichts fiel diese Interessensabwägung aber zu Gunsten des Klägers aus: Die Nutzung der Stimme des Klägers diene vor allem den geschäftlichen Interessen des Beklagten, indem er am Ende der Videos auf seinen Online-Shop verweist. Anders als etwa in den Fällen der satirischen Verwendung von Bildnissen oder des Namens von Prominenten zu Werbezwecken (vgl. Urteil des BGH vom 26.10.2006, 1 ZR 182/04 betreffend eine Sixt-Werbeanzeige mit Oskar Lafontaine nach seinem Rücktritt als Finanzminister) – erfolge auch keine satirische Auseinandersetzung mit dem Verhalten (oder der Stimme) des Klägers selbst. Die Bekanntheit der Stimme des Klägers solle die Videos vielmehr attraktiver machen und so möglichst viele Internetnutzer anziehen. Die Verwendung der Stimme des Klägers diene daher letztlich der Steigerung von Klickzahlen und Umsatz des Beklagten, so dass die kommerzielle Nutzung im Vordergrund stehe. Schließlich werde dem Beklagten, indem ihm die Nutzung der Stimme des Klägers ohne Einwilligung untersagt wird, auch nicht in seinem Recht eingeschränkt, sich in Videos satirisch und kritisch mit der Politik der Bundesregierung auseinanderzusetzen.

Auch das Argument, der Beklagte habe für die Nutzung der KI-Software gezahlt und daher ein Nutzungsrecht an der KI-generierten Stimme von der KI-Plattform erworben, überzeugte nicht. Da der Kläger keine Einwilligung gegenüber dem Anbieter der KI zur Herstellung einer entsprechenden KI-Stimme und deren Weitergabe an Dritte erteilt hat, könne auch der Beklagte kein abgeleitetes Nutzungsrecht erweben.

Zu keinem anderen Ergebnis führt nach der Ansicht des Gerichts auch die Frage, ob nicht gegebenenfalls ein datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand für die Verwendung der Stimme vorliegen kann. Die Stimme einer Person kann als personenbezogenes Datum beurteilt werden, womit grundsätzlich der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) eröffnet ist. Die Verarbeitung ist jedoch nur dann rechtmäßig, wenn ein Erlaubnistatbestand im Sinne von Art. 6 Abs. 1 DS-GVO gegeben ist. Eine Einwilligung des Klägers gemäß Art 6 Abs. 1 a) DS-GVO lag nicht vor. Auch eine Verarbeitung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO kam jedoch nicht in Betracht, weil die Vorschrift ebenfalls eien Interessensabwägung verlangt, bei der die Interessen des Klägers die des Beklagten überwiegen müssen, was nach Ansicht des Gerichts gerade nicht der Fall war.

Schließlich stellt das Gericht fest, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beklagten besonders schwer wiegt, weil neben der unberechtigten werblichen Nutzung der Stimme bei den Betrachtern der Videos der Eindruck entstehen könne, der Kläger identifiziere sich mit den Videos des Beklagten und seinen Waren und habe deshalb seine Stimme zur Verfügung gestellt. Das könne sich auf das Ansehen des Klägers bei Menschen, die nicht dem politisch angesichts der angebotenen Produkte wie „woke zero“-T-Shirts offenbar eher rechts einzuordnenden Beklagten nahestehen, negativ auswirken.

2.000 € pro Video – das kostet eine Stimme (Audio-Deepfake/Voice-cloning)

Als Konsequenz des unberechtigten Voice-Clonings musste der Beklagte eine fiktive Lizenzgebühr an den Kläger für die kommerzielle Verwendung von dessen Stimme zahlen. Diese Art von Schadenersatz orientiert sich daran, welches Honorar vernünftige Vertragspartner für die Nutzung vereinbart hätten, wenn der Sprecher im Voraus gefragt worden wäre. Im Medienrecht ist dieses Prinzip etabliert – etwa bei unerlaubter Nutzung von Fotos oder Namen zu Werbezwecken. Im Urteil stützte sich das LG Berlin auf genau solche Grundsätze in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) für die unberechtigte Bildnisnutzung zu Werbezwecken (Urteil des BGH vom 21.1.2021 – I ZR 120/19 im Volltext).

Konkret hielt das Gericht 2.000 € pro Video für angemessen. Ein als Zeuge gehörter Sprecher-Agent bestätigte, dass der Kläger als Top-Werbestimme ca. 1.800 € und mehr pro Einsatz erhält. Angesichts der Größe des YouTube-Kanals (rund 190.000 Abonnenten) und der unbefristeten Nutzung im Netz seien 2.000 € je Clip nicht überzogen – eher sogar niedrig angesetzt, zumal der Kläger durch die nicht autorisierte Nutzung keinerlei Gegenleistung erhielt.

Zusätzlich wurde dem Beklagten der Ersatz der Anwaltskosten für die außergerichtliche Abmahnung unter dem Gesichtspunkt des Schadesnersatzes gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m Art 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG in Höhe von 1.156,20 € nett zuerkannt, da die Abmahnung als berechtigt beurteilt wurde. Dies entspricht einer 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG a.F. nach einem Gegenstandwert von 24.000 € zuzüglich der gesetzlichen Auslagenpauschale. Dies wiest darauf hin, dass mit der außergerichtlichen Abmahnung auch ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht wurde, der vermutlich durch die außergerichtliche Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung befriedigt wurde.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft Klarheit für den Umgang mit sogenanntem „Voice Cloning“ oder „Audio-Deepfakes“: Die unautorisierte Verwendung von Stimmen von realen Personen – auch wenn sie nur KI-generiert nachgebildet werden – ist rechtswidrig, sobald damit kommerzielle Zwecke verfolgt werden. Entscheidend ist nicht, ob die Stimme technisch „echt“ ist, sondern ob beim Publikum der Eindruck entsteht, der Betroffene habe seine Stimme zur Verfügung gestellt.

Takeaways und Handlungsempfehlungen für Werbewirtschaft, Agenturen und Content-Creator

  • Stimme ist schützenswert: Die Stimme einer Person ist rechtlich wie das Bild oder der Name geschützt. Wer eine erkennbare Stimme einer realen Person (Promi, Sprecher, Influencer etc.) in einem kommerziellen Kontext imitiert – sei es auf natürlichem Wege oder per Software-Simulation, benötigt deren Einwilligung – auch wenn die Stimme von einer KI erzeugt wird.

  • KI-Softwarelizenz reicht nicht aus für Nutzung von Soundalike beim voiceover: Der Kauf einer KI-generierten Stimme von einer KI-Plattform allein bietet keine rechtliche Sicherheit, wenn bei der Vertonung eines Videos (voiceover) erkennbar die Stimme einer realen Person nachgeahmt wird und der Träger der Originalstimme nicht zugestimmt hat. Rechte an der Stimme kann nur die Person selbst freigeben.

  • Kommerzielle Nutzung = höheres Risiko: Sobald eine imitierte Stimme – auch indirket – dazu dient, Reichweite, Klicks oder Verkäufe zu steigern (z.B. in Werbung, Produktvideos, TikTok, Instagram oder YouTube mit Shop-Verlinkung), ist das kommerziell. In solchen Fällen werden Gerichte eher streng zugunsten des Persönlichkeitsrechts entscheiden.

  • Satire hat Grenzen, aber auch eine begrenzte Wirkung: Satirische oder künstlerische Zwecke schützen nicht automatisch vor Haftung, wenn eine prominente Stimme letztlich als Lockmittel für gewerbliche Zwecke eingesetzt wird. Die Kunstfreiheit deckt nicht die werbliche Ausnutzung der Bekanntheit anderer.

  • Im Zweifel: kennzeichnen und verzichten: Ist der Einsatz einer KI-Stimme dennoch geplant, sollte zumindest klar erkennbar gemacht werden, dass es sich um eine künstliche Stimme handelt – um Missverständnisse zu vermeiden. Besser noch: Verzichten Sie auf die Nachahmung realer Personen oder holen Sie zuvor deren Erlaubnis ein.

  • Rechtzeitig beraten lassen: Die Rechtslage bei Deepfakes & Voice Cloning entwickelt sich weiter. Lassen Sie sich juristisch beraten, bevor Sie KI-generierte Stimmen oder Ähnliches in Kampagnen einsetzen, um teure Streitigkeiten und Rufschäden zu vermeiden.

 

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Rechtsanwalt Tobias Spahn, BBS Rechtsanwälte Hamburg