Auslegung von Vertragsstrafenversprechen – Chance und Risiko

 

Ob es um die Verletzung von Urheberrechten, Markenrechten, Geschmacksmustern oder des Wettbewerbsrechts geht – zentraler Punkt der meisten Streitigkeiten in diesen Bereichen ist die Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen.

Zentraler Punkt: die Wiederholungsgefahr

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schafft der derjenige, der gegen ein fremdes Recht verstößt, die Vermutung für eine Wiederholung der Rechtsverletzung („Wiederholungsgefahr“). Diese Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch beseitigt, dass der Rechtsverletzer die Verletzung einstellt. Schließlich hat er durch die erste Verletzung gezeigt, dass weitere Verletzungen möglich sind. Der Verletzte (Rechtsinhaber, Wettbewerber oder anderweitig Anspruchsberechtigter) hat also grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass sein Unterlassungsanspruch gesichert wird. Die Sicherung besteht darin, dass eine erneute Rechtsverletzung für den Verletzer spürbare Folgen hat. Dies kann eine Bestrafung aus einem gerichtlichen Titel (z.B Urteil oder Einstweilige Verfügung) sein. Jedoch kann der Verletzer auch ohne die Kosten eines Gerichtsverfahrens die Wiederholungsgefahr beseitigen, indem er sich strafbewehrt zur Unterlassung der Rechtsverletzung verpflichtet. „Strafbewehrt“ bedeutet, dass der Verletzer verspricht, im Fall der schuldhaften Wiederholung der Rechtsverletzung an den Verletzten eine Vertragsstrafe zu zahlen.

Dementsprechend sind Abmahnungen im Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und bei gewerblichen Schutzrechten (Patente, Geschmacksmuster, Marken) stets darauf gerichtet, dass der Abgemahnte die Wiederholungsgefahr für die vom Abmahnenden behauptete Rechtsverletzung durch die Abgabe einer solchen strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumt.

Dabei sind die in Abmahnungen geforderten Unterlassungserklärungen oft zu weitgehend. Nicht immer ist z.B. das Versprechen eine bezifferten Vertragsstrafe geschuldet. Außerdem ist der Umfang der Verpflichtung zur Unterlassung oftmals weiter gefasst, als er aufgrund der Rechtsverletzung eigentlich besteht.

Wer eine solche vorformulierte Erklärung unterschreibt und an den Abmahnenden zurückschickt, mag möglicherweise eigene Anwaltskosten gespart haben. Dies geht jedoch manchmal mit enormen zusätzlichen und unnötigen Risiken für die Zukunft einher.

Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe kann für den Schuldner weitreichende wirtschaftliche Folgen haben. Umso wichtiger ist es, zu wissen, in welchen Fällen eine Zahlungspflicht besteht.

Was ist eine Vertragsstrafe und wann muss gezahlt werden?

Unter einer Vertragsstrafe ist ein Geldbetrag zu verstehen, den ein Schuldner entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung als Strafe dafür zahlen muss, dass er die geschuldete Leistung – bei der Verletzung fremder Rechte oder des Wettbewerbsrechts: die versprochene Unterlassung – nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt.

Der Vertragsstrafe kommen vor allem zwei wesentliche Funktionen zu: Zum einen soll der Schuldner zu einem vertragstreuen Verhalten bewegt werden. Zum anderen soll der Gläubiger im Falle des Vertragsbruchs wenigstens die Vertragsstrafe geltend machen können, ohne einen konkreten Schaden beweisen zu müssen.

Regelungen über die Vertragsstrafe finden sich in den §§ 339 bis 345 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Aus diesen Normen ergibt sich, dass die Pflicht zur Zahlung der Vertragsstrafe für den Schuldner dann besteht, wenn er mit der strafbewehrten Leistung in Verzug ist. In diesen Fällen spricht man von der Verwirkung der Vertragsstrafe. Streng abzugrenzen von der Verwirkung einer Vertragsstrafe ist die Verwirkung eines Rechts. Mit der Verwirkung eines Rechts ist gemeint, dass ein Gläubiger sein Recht nicht mehr geltend machen kann, wenn er es über eine sehr lange Zeit nicht geltend gemacht und dem Schuldner signalisiert hat, dass er es auch nicht mehr geltend machen wird; die Juristen haben hier unglücklicherweise nicht nur einen komplizierten Begriff gewählt, sondern der Unordnung halber auch gleich doppelt „besetzt“.

Mehrfacher Verstoß führt zu mehrfacher Vertragsstrafe

Grundsätzlich muss eine Vertragsstrafe bei der Sicherung eines Unterlassungsanspruchs für jeden Fall der Zuwiderhandlung gezahlt werden. Insbesondere bei Massengeschäften kann dies ganz empfindliche Folgen haben. Wer sich beispielsweise verpflichtet hat, es bei Meidung einer Vertragsstrafe von 5.100 € zu unterlassen, bei eBay bestimmte Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen zu benutzen, hätte bei zehn Auktionen, die danach unter Verwendung dieser AGB stattfinden, möglicherweise 51.000 € zu zahlen.

„Mengenrabatt“ gibt es hierbei in der Regel nicht. Nur wenn eine ganz außergewöhnliche Vielzahl von Verstößen zu rechtlich ganz außerordentlich unverhältnismäßigen Ergebnissen führen kann, sind nach der Rechtsprechung Korrekturen denkbar. So setzte der Bundesgerichtshof eine Vertragsstrafe wegen des verbotswidrigen Vertriebs von 7000 Wärmekissen herab: statt der nach der Vereinbarung von der Schuldnerin an die Gläubigerin eigentlich zu zahlenden knapp 53 Millionen Euro musste die Schuldnerin „nur“ 200.000 (in Worten: Zweihunderttausend) Euro Vertragsstrafe bezahlen (BGH, Urteil vom 17. 7. 2008 – I ZR 168/05) – eine Verbindlichkeit, die nicht nur für kleinere Unternehmen existenzgefährdend sein dürfte.

Auslegung der Unterlassungserklärung

Auch in einem Urteil vom 21.10.2010, Az. III ZR 17/ 10, musste sich der BGH mit einer aufgrund einer Unterlassungserklärung vereinbarten Vertragsstrafe befassen.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte betreibt eine Personalvermittlung. Der Kläger wollte sich im Jahre 2007 beruflich neu orientieren. Er wandte sich deshalb an die Beklagte und schickte ihr seine Bewerbungsunterlagen. Diese Unterlagen enthielten unter anderem auch das Jahreseinkommen des Klägers und seine früheren Arbeitgeber.

Die Beklagte übernahm die Angaben des Klägers in ihre Datenbank und veröffentlichte sie – ohne die Zustimmung des Klägers – auf ihrer Website. Dabei wollte sie durch Entfernung des Namens, des Geburtsdatums und des aktuellen Arbeitgebers den Kläger anonymisieren. Sie übersah aber, dass die Kopfzeile der Daten den Namen des Klägers beinhaltete. Der Kläger war daher noch ohne Weiteres zu identifizieren.

Dem Kläger gefiel die Veröffentlichung der höchst sensiblen Daten natürlich nicht. Er forderte er die Beklagte auf, sämtliche Daten von ihrer Website und ggf. von allen anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Stellen zu entfernen und es künftig zu unterlassen, diese Daten zu verwenden. Zudem forderte er die Beklagte auf, eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Am 16.01.2008 verpflichtete sich die Beklagte, die Daten spätestens bis zum 16.01.08, 13.00 Uhr aus dem Internet zu entfernen und künftig nicht mehr zu verwenden. Am 13.02.2008 gab die Beklagte dann eine weitere Erklärung ab und verpflichtete sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die am 16.01. übernommenen Verpflichtungen eine Vertragsstrafe von 25.000,00 € zu zahlen.

Bereits vor der Abgabe dieser Erklärungen hatte die Beklagte die Daten des Klägers von ihrer Website entfernt. Gleichzeitig hatte sie für die Entfernung der Daten aus der Suchmaschine „google“ gesorgt. Über die Suchmaschine „Yahoo“ hingegen waren die Daten des Klägers auch Monate später noch weiter erreichbar.

Der Kläger ging davon aus, dass die Beklagte gegen die getroffenen Vereinbarungen verstoßen habe, da ja die Löschung sämtlicher Daten des Klägers aus dem Internet seitens der Beklagten erst nach dem 13.02.2008 erfolgt war. Er forderte von der Beklagten daher die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.

Wille der Vertragsparteien aus Sicht eines objektiven  Dritten entscheidet

Zu Unrecht, wie – anders als die Gerichte der Vorinstanzen – der BGH urteilte: der Bundesgerichtshof gelangte zur Überzeugung, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 13.02.2008 nicht die Verpflichtung zur Entfernung der persönlichen Daten des Klägers aus dem Internet erfasste. Die Auslegung der Unterlassungsvereinbarung ergäbe, dass sich die Verwirkung der Vertragsstrafe allein auf den Fall einer etwaigen künftigen erneuten Verwendung der Daten des Klägers beziehe, nicht aber auf die Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung der Daten aus dem Internet. Beide Parteien seien nämlich 13.02.2008 (fälschlich) davon ausgegangen, dass die Daten bereits entfernt worden waren. Daher sei auch nicht von einem Willen der Parteien auszugehen, eine nach ihrer Vorstellung bereits erfüllte Pflicht erneut zu begründen. Das Vertragsstrafenversprechen habe sich daher nicht auf die noch bei Yahoo veröffentlichten Daten bezogen.

In dem vom Bundesgerichtshof beurteilten Fall hatte die Beklagte ausnahmsweise Glück. Das muss jedoch keineswegs immer zu treffen. Die Auslegung kann durchaus auch zu Ungunsten des Schuldners ausfallen.

So schuldet ein Unternehmen, dass sich nach einer Abmahnung verpflichtet hat, es zu unterlassen, … für die sogenannte Fett- weg- Spritze nach Dr. BB zu werben, soweit dies geschieht wie auf dem beigefügten und der Unterlassungserklärung angehefteten Werbeflyer…“ die Vertragsstrafe auch dann, wenn es später einen anderen Werbeflyer verwendet, in welchem aber die wesentlichen in der Abmahnung beanstandeten Passagen enthalten sind (LG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2005 – 34 O 72/05).

Bei der Auslegung kommt es also auf den Kern der beanstandeten Handlung an, zu deren Unterlassung der Vertragsstrafenschuldner verpflichtet hat.

Risiken vermeiden

Durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lassen sich teure gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden. Jedoch kann eine solche Erklärung dem Gegner auch eine fürchterliche Waffe in die Hand geben. Ungenau formulierte Erklärungen können zu einem bedrohlichen Risiko werden.

Wer sich beispielsweise auch zur Unterlassung eigentlich nicht rechtswidriger Handlungen verpflichtet, schuldet bei Zuwiderhandlung die Vertragsstrafe und kann sich nicht auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns berufen. Der Unterlassungsanspruch und der Anspruch auf Vertragsstrafe basieren dann nämlich gerade nicht mehr auf einer Rechtsverletzung, sondern auf dem Unterlassungsvertrag.

Beratung bei Abmahnungen lohnt

Wer die in einer Abmahnung geforderte Unterlassungserklärung ohne Abänderungen abgibt, kann sich daher in erhebliche Gefahr begeben. Wir empfehlen daher dringend, die Abmahnung sachkundig prüfen zu lassen und insbesondere Unterlassungserklärungen nur in dem Umfang abzugeben, der auch tatsächlich rechtlich notwendig ist, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die Kosten einer anwaltlichen Beratung gleichen hier oft die Risiken der Reaktion ohne rechtskundige Unterstützung bei Weitem aus.

Sie haben eine Abmahnung erhalten und wollen unkalkulierbare Risiken ausschließen? Wir entwickeln mit Ihnen die richtige Strategie und die Lösung für Ihr Problem. Natürlich unterstützen wir Sie auch, um Abmahnungen und damit auch Vertragsstrafenrisiken von vornherein abzuwenden. Vorsorge ist besser als Therapie. Das gilt nicht nur für Ihre Gesundheit, sondern auch für Ihr Geschäft.